Wiener-2001

Wirkungsgefüge, Verantwortung und Systembewusstsein – Was Vester heute lehrt

Am 23. Juli 2025 fand das 4. SynergyLab der GWS e.V. statt – erneut ein Raum für reflektierten, interdisziplinären Austausch rund um kybernetisches Denken und kollektive Intelligenz. Diesmal stand das Werk des Systemdenkers Frederik Vester im Mittelpunkt, vorgestellt und eingeordnet von Prof. Dr. Falko Wilms (Hochschule Vorarlberg).

Vester – mehr als Matrixdenken

Unter dem Titel „Wirkungsgefüge, Einflussmatrix und Schlüsselvariablen – Was Vester anders macht als seine Nachahmer“ zeigte Wilms auf, worin die Besonderheit des Vester’schen Ansatzes liegt: Nicht nur das Tool (die bekannte Einflussmatrix), sondern die dahinterliegende kybernetische Haltung, das vernetzte Denken und die Verantwortungsperspektive stehen im Zentrum.

Zentrale Impulse:

  • Wirkungsgefüge machen nicht nur Strukturen sichtbar, sondern erklären funktionale Zusammenhänge.
  • Einflussmatrizen dienen nicht der Dekoration, sondern der systematischen Bewertung von Handlungsoptionen.
  • Schlüsselvariablen helfen, das Wesentliche zu erkennen: Was wirkt stark und ist beeinflussbar?
  • Vester dachte Kybernetik als Gestaltungslehre – gegen mechanistische Steuerungsfantasien.
  • Seine Methode setzt auf Verständigung, Transparenz und Beteiligung, nicht auf technokratische Modellierung.
  • Heutige „Systemtools“ greifen zwar Begriffe auf – aber oft ohne die reflexive Tiefe.
  • Die Diskussion zeigte: Vesters Denken ist hochaktuell – gerade in Zeiten komplexer Entscheidungsdilemmata.

Offenheit trifft Tiefe

Das 4. SynergyLab war geprägt von einer erkenntnisorientierten Diskussion – mit Teilnehmern aus Systemforschung, Praxisberatung und Organisationsentwicklung. Besonders intensiv wurde über die ethische Dimension systemischer Methoden gesprochen: Wie ermöglichen wir verantwortlichere Entscheidungen in komplexen Umwelten?

Systemisches Denken weiterdenken

Die GWS versteht die SynergyLabs als lebendige Orte der Verständigung – nicht über Theorien allein, sondern über ihre Bedeutung für die Welt, in der wir handeln. Das Werk von Frederik Vester bleibt dabei eine zentrale Inspirationsquelle.

📅 Das nächste SynergyLab findet im Herbst 2025 statt – mit neuem Impuls, neuer Perspektive, neuer Gelegenheit zum Weiterdenken.

Weitere Informationen und Kontakt:
🔗 synergylab.space
📧 office@gws-kybernetik.org

Wiener-2001

Narrative, Feedback und Steuerung – Kybernetik trifft Politikgestaltung

Am 25. Juni 2025 fand das 3. SynergyLab der GWS e.V. statt – ein offenes Gesprächsformat für alle, die systemisches Denken, kollektive Intelligenz und kybernetische Perspektiven auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen vertiefen möchten. Dieses Mal war Adrian Brozek (KU Leuven) als Impulsgeber zu Gast.

Politik als komplexes System – eine kybernetische Betrachtung

Unter dem Titel „Krieg, Klima, Krankenhausreform – Eine kybernetische Betrachtung politischer Wirklichkeitskonstruktion“ eröffnete Adrian Brozek einen tiefgehenden Dialog über den Zusammenhang zwischen Narrativen, Rückkopplungseffekten und politischer Steuerung. Dabei rückte er die Frage ins Zentrum, wie sich Wirklichkeit in politischen Prozessen durch Sprache, Kommunikation und institutionelle Reaktionen konstruiert – und welche Rolle kybernetisches Denken dabei spielen kann.

Zentrale Erkenntnisse des Abends:

  • Narrative wirken nicht beiläufig, sondern strukturieren politische Realität.
  • Rückkopplung geschieht sozial: durch Meinungsbildung, Medien, Wahlergebnisse, Protest.
  • Komplexe Systeme lassen sich nicht linear steuern – es braucht reflexive, adaptive Formen der Governance.
  • Kybernetische Begriffe wie „Beobachtung zweiter Ordnung“ oder „Systemgrenze“ sind hilfreich, um politische Dynamiken mehrdimensional zu verstehen.
  • Politik ist auch Kommunikation über Handlung – wer welche Geschichten erzählt, hat Einfluss.
  • Die Grenzen von Systemen entstehen durch Diskurse, Machtverhältnisse und Wahrnehmungen.
  • Politische Steuerung muss mit Unsicherheit, Verzögerung und unvollständigem Feedback umgehen.
  • Policy-Making ist kein Umsetzungsplan, sondern ein kontinuierlicher, diskursiver Prozess.

Reger Austausch im offenen Format

In der Diskussion wurde deutlich, wie vielfältig die Perspektiven auf politische Wirklichkeit sind – von der politischen Praxis über Governance-Forschung bis hin zur Systemtheorie. Die Teilnehmenden diskutierten Fragen wie:

  • Was kann Kybernetik zur Beobachtung politischer Diskurse beitragen?
  • Wie lassen sich narrative Rückkopplungseffekte empirisch untersuchen?
  • Inwieweit sind klassische Steuerungsbilder heute noch tragfähig?

Dabei zeigte sich: Die Kybernetik bietet keinen festen Werkzeugkasten, sondern ein reflexives Denkmodell für komplexe gesellschaftliche Prozesse – mit hohem Potenzial für interdisziplinäre Kooperation.

Mehr erfahren & mitgestalten

Die SynergyLabs der GWS sind offen für alle, die systemische Ansätze in Gesellschaft, Politik und Organisationen weiterdenken möchten.
📅 Das nächste Lab findet am 23. Juli 2025 statt – mit neuen Impulsen und wieder Raum für Austausch, Perspektiven und Querdenken.

Weitere Informationen und Kontakt:
🔗 synergylab.space
📧 office@gws-kybernetik.org

Bildnachweis: Gedenkstunde zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 2025: Übersicht des Plenarsaals während der Begrüßungsansprache von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, CDU/CSU, MdB. Ort: Reichstagsgebäude, Plenarsaal, Berlin / Deutschland. Aufgenommen: 08. May 2025, 12:39 Uhr. Bildnummer: 5025248. Fotograf/in: Thomas Köhler / photothek. Dieses Bild darf für private und kommerzielle nicht-werbliche Zwecke genutzt werden. Die Verwendung des Bildes in sozialen Medien ist gestattet.

Sven-Volker Rehm

Laws of Form-Analyse digitalisierter Arbeitswelten

Die als Schlüsselwerk der Kybernetik bekannt gewordenen Laws of Form von George Spencer-Brown (1969) lassen sich zur Analyse moderner digitaler Infrastrukturen in unserem Arbeitskontext nutzen, um neue Methoden und Theorien zu entwickeln. Dies ist einer der Beiträge des Artikels, der im Februar 2022 im Journal Information and Organization (Elsevier) erschienen ist. Ein Ko-Autor ist GWS-Mitglied Sven-V. Rehm.

Die fortschreitende Digitalisierung hat unser Verständnis von Technologie als einzelne Geräte, Datenbanken oder Anwendungssoftware verändert – wir nehmen diese heute wahr als sich dynamisch verändernde Umgebungen, also Cloud, Metaverse, IoT, KI, eingebettete Systeme usw., in denen vielfältige Nutzungsarten und informationstechnische Prozesse miteinander verflochten sind. Diese in der wissenschaftlichen Literatur als sociomaterial bezeichneten Verflechtungen bestimmen den Erfolg unserer digitalisierten Arbeitswelten (DAW). DAW sind heute viel zu komplex geworden, um sie so zu definieren, wie wir es in der Vergangenheit mit “IT-Artefakten” getan haben. Für die Forschung macht diese Entwicklung das Studium von DAW zunehmend schwieriger und erfordert die Weiterentwicklung von Methoden, mithilfe derer sich die Dynamik der DAW besser beobachten und konzeptualisieren lässt.

In einem vor Kurzem von GWS-Mitglied Sven-V. Rehm mit verfassten Artikel verwenden die Autoren den mathematisch-logischen Formalismus der Laws of Form (LoF) (Spencer-Brown, 1969) für die Analyse sechs illustrativer Studien. Dort wird untersucht, wie jeweils soziale und materielle Aspekte konzeptualisiert werden, um zu unterschiedlichen Perspektiven auf DAW zu gelangen. Die Analyse zeigt drei Archetypen der Beobachtung und Konzeptualisierung auf, die eine Diskussion darüber anregen, wie die Forschung zu neuen Informationssystemen neue qualitative Methoden entwickeln kann.

Der Artikel bietet zum einen neue Einblicke in das aktuelle Verständnis von DAW und Erklärungen zu Schlüsselkonzepten. Zum anderen werden die Laws of Form – als eines der Schlüsselwerke u.a. im Hinblick auf das Konzept der Beobachtung – als prä-ontologischer und prä-theoretischer Formalismus vorgestellt, der die Kommensurabilität von Methoden und die Entwicklung neuer qualitativer empirischer Methoden ermöglicht. Dabei wird aufgezeigt, wie der Formalismus hilft, Unterscheidungen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes zu artikulieren und zu verfeinern – und die Argumentation anderer Forscher/-innen kritisch zu untersuchen und zu rekonstruieren.

Der Beitrag kann hier gelesen werden.

Reference: Rehm S-V, Goel L, Junglas I (2022) Researching digitalized work arrangements: A Laws of Form perspective. Information and Organization:100391. DOI: 10.1016/j.infoandorg.2022.100391 .

Sven-Volker Rehm

Lehr- und Lernmaterialien für die WiSo-Kybernetik

Eine satzungsgemäße Aufgabe der GWS e.V. ist das “Aufzeigen, die Entwicklung und die Verbreitung des Gedankenguts und der Methoden der Kybernetik in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Zusammenwirken mit den Erkenntnissen und Erfahrungen der allgemeinen Wissenschaft und Praxis” (Satzung).

Diese aktuelle Initiative innerhalb der GWS hat zum Ziel, entsprechende Materialien für akademische und berufsbegleitende Lehre zusammenzustellen. Diese sollen zum einen die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften in Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf dem Gebiet der WiSo-Kybernetik ermöglichen sowie zum anderen die Förderung des Interesses für Kybernetik, insbesondere bei jungen Menschen.

Sowohl Hinweise auf Materialien als auch Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung sind herzlich eingeladen. Wenn Sie sich als GWS-Mitglied oder externe/-r Interessierte/-r beteiligen möchten, wenden sie sich bitte an den Vorstand der GWS.

Sven-Volker Rehm

CI:P Journal: Beiträge zu Collective Intelligence

Die GWS gründet derzeit eine neuartige wissenschaftliche Zeitschrift: Collective Intelligence Perspectives ist als interdisziplinäres und multimediales Angebot sowie als globales Forum für transdisziplinäre wissenschaftliche Untersuchungen konzipiert, die sich mit systemischen Perspektiven auf kollektive Intelligenz bzw. Collective Intelligence befassen, also die kollektive Generierung und Nutzung von Informationen, Kommunikation und Kontrolle in sozialen Organisationen betrachten.

Wenn Sie selbst als Autor oder Autorin beitragen möchten, wenden Sie sich bitte an den Vorstand der GWS.

Falko Wilms

Sich beobachtende Beobachter

Die Kybernetik zweiter Ordnung und die Theorie sozialer Systeme kreisen um Fragen von Beobachtung, Kommunikation und Entscheidung. Grundprämisse ist, dass die Anwendung eines Regelwerkes eine daraus resultierende Wirklichkeit konstruiert.
Für die Interpretation von bewirkten Resultaten von eigenen und fremden Handlungen sind die Entstehungsbedingungen und die Grenzen der Gültigkeit des jeweils benutzten Regelwerkes maßgeblich.
Die systemtheoretische BWL knüpft hier an; sie stellt das fachübergreifende, rationalitätsorientierte Denken von Beobachtern ins Zentrum. Die Beobachter sind durch soziale Systeme miteinander verbunden, die aus aufeinander verweisenden Kommunikationen bestehen.

Für den Blick auf gemeinsame Entscheidungen ist maßgeblich:
a) Entscheidungen werden nicht ausgerechnet, sondern von Beobachtern ausgehandelt
b) Alles was kommuniziert wird, wird von einem Beobachter zu einem Beobachter  kommuniziert
Um dies zu analysieren wird der Formkalkül von Spencer-Brown angewandt, der Kommunikation versteht als unterscheiden und bezeichnen im Kontext von Unterscheidungen, die von Beobachtern getroffen werden. Der Kalkül erzeugt etwas, das er aber keinesfalls repräsentiert.

Diese Initiative innerhalb der GWS verfolgt das Ziel, die unterschiedlichsten Sachzusammenhänge mit den Mitteln der Kybernetik 2. Ordnung zu analysieren, um Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Ein Kernziel der Initiative ist, durch Anwendungen der Laws of Form (oft abgekürzt mit LoF)
1) Sichtweisen unterschiedlicher Stakeholder auf einen zu Sachverhalt dokumentieren
2) Entstehungsbedingungen (der Ergebnisse) einzelner Beobachtungen offenzulegen
3) eine argumentierbare integrative Darstellung von Sachverhalten zu generieren, deren Autorität für die zu rechtfertigen ist.

Der Austausch über das Zustandekommen eigener und fremder Beobachtungen bewirkt ein wechselseitiges Verständnis von Erkenntnissen, Standpunkten und Meinungen. So gelingt die aufeinander abgestimmte Weiterentwicklung von arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozessen. Mittelfristig wird damit auch die Kompetenz zur Gestaltung vernetzter Wertschöpfungs-Partnerschaften gefördert, was einer Förderung der kollektiven Intelligenz der Prozessbeteiligten gleichkommt.

Sowohl Hinweise auf themenbezogene Beiträge als auch passende Materialien werden angenommen. Wenn Sie sich als GWS-Mitglied oder externe/-r Interessierte/-r beteiligen möchten, wenden sie sich bitte an den Vorstand der GWS.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner