Dr. Werner Boysen

CyberPractice, ein praxiserprobtes, wirkungsvolles Vorgehensmodell für das Empowerment in Unternehmen

Abstract

In complex environments, decisions cannot be made by individual managers in a way that is appropriate to the system, because individual persons cannot sufficiently grasp the interrelationships and accurately recognize the effective network of causes. However, it is necessary to consider the actual interdependencies in decisions.

CyberPractice is a tried-and-tested process model that involves local employees in the preparation of decision-making bases and in the decision-making process itself in the form of a systemic discourse. In this way, it is achieved that the system is not ordered, but that the system regulates itself. If the entire organization gets involved, CyberPractice reaches and influences the actual perpetrators of grievances in organizations and unlocks existing potential for improvement in a natural way. Organizations applying CyberPractice can effectively react to disturbing forces and are becoming resilient.

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Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

In komplexen Umfeldern können Entscheidungen von einzelnen Führungskräften nicht systemgerecht getroffen werden, weil einzelne Personen die Zusammenhänge nicht hinreichend erfassen und das wirksame Ursachengeflecht nicht treffend erkennen können. Es ist aber erforderlich, die tatsächlichen Wirkungszusammenhänge in Entscheidungen zu berücksichtigen.

CyberPractice ist ein praxiserprobtes Vorgehensmodell, das die Mitarbeiter vor Ort in Form eines systemischen Diskurses in die Aufbereitung von Entscheidungsgrundlagen und in den Entscheidungsprozess selbst einbindet. Damit wird erreicht, dass nicht über das System verfügt wird, sondern das System sich selbst regelt. Wenn sich die gesamte Organisation darauf einlässt, erreicht und beeinflusst CyberPractice die tatsächlichen Verursacher von Missständen in Organisationen und erschließt bestehendes Verbesserungspotenzial auf natürliche Weise. Organisationen, die CyberPractice anwenden, können auf Störkräfte wirksam reagieren und werden resilient.

1 Herausforderungen aus der Unternehmenspraxis

Die vermeintliche Professionalisierung von Geschäftsabläufen macht Wirtschaftsgefüge oft spürbar labiler. Wir erleben derzeit in vielen Umfeldern ein Gleichgewicht auf hohem Spannungsniveau. Der wahrgenommene Erfolg ist trügerisch: Geringste Veränderungen können das Gleichgewicht eines unter hoher Spannung gehaltenen Systems so massiv stören, dass das System unumgänglich zerrissen wird. Jeder – sogar gut gemeinte – Eingriff kann diesen Riss verursachen. Viele Manager ahnen dies, sind stark verunsichert und fühlen sich handlungsunfähig. Bereits geprägt von der Wirtschaftskrise 2008/09 und 2020/21 durch die corona-bedingten Einschnitte und seit 2022 durch die spürbaren Folgen des Russlandkonfliktes nach einem Weg, der zu einer Stabilisierung ihrer Organisation führt.

Die bestehende Spannung muss äußerst feinfühlig abgebaut werden. Das kann nicht einseitig geschehen, sondern erfordert eine enge Abstimmung aller Beteiligten und ein sorgfältiges Vorgehen. Als eine wesentliche Voraussetzung dafür sollten Manager versuchen, Systeme und ihr Verhalten besser zu verstehen.

In diesem Beitrag wird mit CyberPractice® ein Vorgehensmodell vorgestellt, mit dem systemische Wirkungsgefüge in der Wirtschaftspraxis treffend erfasst und gestaltet werden können. Anders als rein beschreibende Methoden, wie beispielsweise eine Prozessmodellierung mit ARIS, und analytische Methoden, wie zum Beispiel die Sensitivitätsanalyse nach Frederic Vester oder die System-Dynamics-Methode nach Jay Forrester, eignet sich das CyberPractice®-Vorgehensmodell sowohl zur zuverlässigen Erfassung als auch gleichzeitig zur Gestaltung und Nutzung von Wirkungsgefügen. Der Aufwand, der mit der Anwendung von CyberPractice® verbunden ist, ist vertretbar. Dadurch wird diese Methode hoch interessant für die praktische Anwendung in Unternehmen.

2 Lösungsansatz

Dr. Boysen hat aus seiner systemisch angelegten Beratungspraxis heraus eine Alternative zu bekannten analytischen Vorgehensweisen entwickelt, die sich bereits in der Unternehmenspraxis bewährt hat. Diese Methode, der CyberPractice®-Ansatz, wird hier vorgestellt.

Der Kunstname „CyberPractice®“ setzt sich aus den Wörtern Cybernetics (Kybernetik) und Practice (Praxis) zusammen und bringt zum Ausdruck, dass in diesem Ansatz kybernetische Elemente in die Unternehmenspraxis übertragen werden. Die konsequente Ableitung des CyberPractice®-Ansatzes aus der Kybernetik stellt sicher, dass die Anwendung wirklich funktioniert.

2.1 Grundzüge und Vorteile des CyberPractice®-Ansatzes

Die CyberPractice®-Methode setzt bei dem Gedanken an, dass jede Modellierung nur eine vereinfachte Darstellung einer wahrgenommenen Wirklichkeit ist. Was in der Unternehmenspraxis gebraucht wird, ist eigentlich gar kein Modell von der Wirklichkeit, sondern die Gewissheit, dass in der Organisation systemisch sinnvoll gehandelt wird.

Wir neigen dazu, künftige Ereignisse möglichst vorhersehbar und messbar zu machen, darauf aufbauende Pläne sauber zu dokumentieren und deren Umsetzung in der Organisation zu managen. Allerdings führen uns kybernetische Prinzipien vor Augen, dass (i) in komplexen Umfeldern weder eine derartige Eindeutigkeit noch eine sequenzielle Abfolge der Maßnahmen angemessen sind und dass sich (ii) die Qualität von Systemen durch ihre Beziehungen und ihre emergenten Fähigkeiten erklärt, nicht durch Entscheidungen, die aufgrund einer „höheren Erkenntnis“ vom Top-Management für die Organisation getroffen werden. Werden Handlungsabsichten in Programme gegossen, die nach Anweisung abzuarbeiten sind, verlieren sich nämlich sowohl die organisationale „Nase“ für Möglichkeiten, für Unsicherheiten und für Nicht-Wissbares als auch wertvolle Freiheitsgrade, die erforderlich sind, um Komplexität zu bewältigen. Organisationen werden nicht nur unfähig, den Moment zu nutzen, um auf veränderte Bedingungen zu reagieren, sondern im schlimmsten Fall sogar blind für das Spektrum verfügbarer Handlungsmöglichkeiten. Sinnvoller ist es, das grundsätzliche Verständnis der Beteiligten für Wirkungszusammenhänge zu verbessern und Organisationen darauf vorzubereiten, dass sie besser mit bestehenden Unsicherheiten umgehen können.

Aus diesen Einsichten speist sich der pragmatische und wirksame CyberPractice®-Ansatz. Die Methode setzt ihren Hebel nämlich unmittelbar im System und in den Handlungen selbst an. Sie fußt auf der Idee, dass die Handelnden systemisch sinnvoll vorgehen werden, wenn sie das Gesamtbild erfassen, systemische Zusammenhänge erkennen und – das ist als Handlungstreiber ganz wichtig – wenn sie aus einer systemisch sinnvollen Vorgehensweise einen größeren Nutzen erwarten als aus einer isolierten, die vermeintlich den eigenen Nutzen erhöht.

Dazu wird nach dem CyberPractice®-Ansatz eine Betrachtung des Geschehens aus systemischer Perspektive gewählt. Jegliches „Geschehen“ wirkt sich in Prozessen aus. Deshalb macht es Sinn, sich mit konkreten Prozessen zu befassen, statt Organisationseinheiten zu betrachten, die Mittel zum Zweck sind, um Prozesse auszuführen. Und schließlich kann jeder Prozess auch als System aufgefasst werden kann.

Ein System ist die Gesamtheit der Wechselwirkungen verbundener Elemente, die sich von ihrem Umfeld durch ihre Aufgabe, ihren Sinn oder ihren Zweck abgrenzen. Systeme sind durch Prinzipien und Muster des Beziehungsgeflechts strukturiert, durch die sie entstehen, funktionieren oder sich erhalten.

Um sowohl Verständnis für das Ganze als auch Interesse am Ganzen bei möglichst vielen Beteiligten zu erreichen, ist Orientierung erforderlich – eine Führungsaufgabe. Damit die Beteiligten die Muster wechselseitiger Beeinflussungen erkennen, müssen sie in kybernetischen Grundlagen geschult und mit Methoden vertraut gemacht werden, mit denen sie ihr Zusammenspiel besser abstimmen können. Solche Schulungen einzuleiten ist ebenfalls eine Führungsaufgabe.

Die CyberPractice®-Methode bewirkt, dass die Beteiligten die Zustände der Systemelemente im Prozess erfassen, wie es auch vom System-Dynamics-Ansatz nahegelegt wird. Allerdings wird bewusst darauf verzichtet, die wirksame Systemdynamik explizit zu dokumentieren. Vielmehr wird dahin gearbeitet, dass die Beteiligten die Dynamik erkennen und sie agil gestalten. Der wesentliche Vorteil gegenüber rein analytischen Ansätzen besteht darin, dass mit der Erkenntnis von Zusammenhängen sofort eine laufende, systemisch sinnvolle Regelungsaktivität verbunden ist. Ein weiterer Vorteil besteht in der gleichzeitigen Befähigung von Organisationen zu dynamischer Anpassungsfähigkeit. Diese Umsetzungskomponente fehlt bei den rein analytischen Beschreibungsansätzen, zu der die Sensitivitätsanalyse und die System-Dynamics-Methode gehören.

Die CyberPractice®-Methode liefert methodisch systematisch abgeleitete Ergebnisse bezüglich der Prozessgestaltung und erfüllt damit vollumfänglich die Anwendungskriterien der Unternehmenspraxis. Dass das Modell methodisch auf der qualitativen Ebene bleibt, ist seine Stärke, denn es erlaubt eine Konzentration auf die Erfassung und Beeinflussung der wesentlichen Wirkungszusammenhänge, ohne eine vermeintliche numerische Präzision zu suggerieren. Eine weitere Stärke von CyberPractice® ist, dass die Methode ihre Wirkung in intensiver Interaktion zwischen den Fach- und Führungskräften in Organisationen frei von jeder Bindung an eine konkrete IT-Anwendung entfaltet.

2.2 Das Vorgehensmodell

Ein Kerngedanke des CyberPractice®-Ansatzes nach Dr. Boysen ist, bei der Ursachenanalyse hinreichend tief zu schürfen, um sicherzustellen, dass Wirkungszusammenhänge besser verstanden und die Effekte des Zusammenspiels gezielt beeinflusst werden. In der Praxis beobachten wir oft, dass komplexe Sachverhalte unangemessen reduziert werden, was zu falschen Entscheidungen führt. Es nützt in der Regel nichts, die an der Oberfläche auftretenden Symptome lokal zu behandeln. Die üblicherweise wahrgenommenen „Schmerzen“ sind nämlich häufig Auswirkungen tiefer liegender Schwachstellen im System, die schwieriger zu erkennen sind. Deshalb muss mindestens auf der Leistungsebene, wo Maßnahmen und Wirkungen vollständig in die klassischen Kategorien „Kosten“, „Zeit“ und „Qualität“ einfließen, nach den Problemursachen gesucht werden. Aber es ist nicht ausreichend, dass Aktivitäten lediglich darauf abzielen, die Key Performance Indikators (KPIs) in diesen Kategorien zu straffen und auf Umsetzungsdisziplin zu achten. Vielmehr müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass operative Ergebnisse wirklich verbessert werden können. Diese Voraussetzungen können nur durch eine Optimierung des Zusammenspiels der Wirkungsbeziehungen beeinflusst werden. Für diese Optimierungsaufgabe kann das Vorgehensmodell CyberPractice® wirkungsvoll eingesetzt werden.

Abb. 1: CyberPractice®-Methode nach Dr. Boysen

Abbildung 1 veranschaulicht die wesentlichen Koppelwirkungen. Folgt man den dünnen Pfeilen, erkennt man, welche Folgewirkungen von Wirkungen ausgelöst werden. Schließlich erkennt man auch, dass sich die Gesamtwirkung wiederum positiv auf die Startbedingungen rückkoppelt (fetter, äußerer Pfeil). Die Farben veranschaulichen eine Momentaufnahme der jeweiligen Zustände, wobei das Verhältnis der Grün- zu den Rotanteilen die Güte der Zustände symbolisiert.

Wird das Verständnis der Führungskräfte für systemische Zusammenhänge geschärft, werden die Top-Führungskräfte nicht mehr primär die Geschäftseinheiten und die funktionalen Bereiche als die Treiber für erfolgreiches Wirtschaften betrachten. Vielmehr werden sie den Blick auf das Dazwischen richten, auf die Verbindungen zwischen Spezialisten, zwischen Geschäftseinheiten und Unternehmen. Und sie werden besser das Potenzial der Fähigkeiten erkennen, die sich aus solchen Verbindungen ergeben können. Sie werden auch den Nutzen von Redundanzen wahrnehmen, die sich aus einer sinnvollen Vernetzung ergeben, und zwar Redundanzen nicht als Dopplung der Ressourcen in klassischen Sinn, sondern derart, dass verschiedene Elemente im System dieselben Funktionen übernehmen können, wenn sie vielseitig angelegt sind.

Damit diese wertvollen Verbindungen gut funktionieren, werden sich systemisch geschulte Führungskräfte dafür einsetzen, dass die systemischen Schnittstellen sauber definiert und Schnittstellenanforderungen vereinbart werden und dass im Prozess stabilisierende Rückkopplungsmechanismen eingesetzt werden (Management-Setup). Der betrachtete Prozess wird nach kybernetischen Gesichtspunkten neu gestaltet. Dadurch verbessert sich prinzipiell die Qualität des betrachteten Prozesses, also die „horizontale Kommunikation“, deutlich.

Allerdings besteht in dieser Phase der neu gestaltete Prozess bislang nur auf dem Papier. Wenn das Top-Management aber über die Basisvoraussetzungen verfügt (Management Set-up), wird es dafür sorgen, dass weitere Voraussetzungen erfüllt werden, damit die veränderte Arbeitsweise umgesetzt werden kann. Das Top-Management wird vor allem darauf hinwirken, dass die mittlere Führungsebene die Ressourcen dort ansiedelt, wo sie gemäß dem neu definierten Prozess gebraucht werden (Ressourcenkongruenz), und dass entlang des Prozesses die erforderlichen Informationen bereitgestellt werden.

Außerdem wird das Management dafür sorgen, dass die Informationen über Meilensteine und kritische Ereignisse, die entlang des Prozesses rückgekoppelt werden sollen, tatsächlich effektiv ausgetauscht werden können (Integration der Informationssysteme).

Des Weiteren wird das Top-Management der Belegschaft Orientierung geben und dafür sorgen, dass Konzepte, die im Management-Kreis verabschiedet werden, in die Organisation hineingetragen werden (Leadership) sowie Anliegen von der Basis an das Management herangeführt werden (gute vertikale Kommunikation).

Der CyberPractice®-Ansatz reicht aber weiter. In der Praxis durchlaufen nämlich verschiedene Projekte oder Aufträge diesen Prozess, die im Wettbewerb um Management-Aufmerksamkeit und Ressourcen stehen. Ein wirksames Multi-Projektmanagement muss dafür sorgen, dass Prioritäten gesetzt und gegebenenfalls drohende Engpässe rechtzeitig eskaliert und entschärft werden.

Dass diese vier Elemente (i) Allocation of Capacities, (ii) integrated IT-Applications, (iii) (Multi-) Projektmanagement und (iv) Vertical Integration of Communication, Leadership herausgestellt werden, ist keine Willkür; vielmehr hat sich in verschiedenen Praxisbeispielen gezeigt, dass genau diese vier Elemente eine zentrale Rolle spielen. Werden diese vier „Services“ gut abgestimmt, wird sichergestellt, dass ein systemisch gut durchdachter Prozess wirklich eingeführt wird. Genau dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können spürbare Verbesserungen auf der Leistungsstufe erwartet werden. Kosten werden sinken, weil Blind-, Fehl- und Doppeltleistungen deutlich niedriger liegen werden; Durchlaufzeiten werden wegen der klaren Abstimmungen stark sinken und die Qualität der Ergebnisse wird sich merklich verbessern. Die positiveren operativen Ergebnisse werden schließlich zu einer höheren Zufriedenheit aller Beteiligten führen und in Motivationssteigerung und verbesserte Kundenzufriedenheit münden. Beide Effekte animieren wiederum, die systemischen Voraussetzungen noch weiter zu verbessern, denn wir haben es mit einem positiv rückgekoppelten Gesamtsystem zu tun. Im Umkehrschluss heißt das natürlich auch, dass die Prozessqualität weiter abnehmen wird, wenn keine geeigneten Voraussetzungen geschaffen werden.

Die Ergebnisse entwickeln sich aus einer gegenseitigen Beeinflussung der Wirkungen über mehrere Stufen und verschiedene Verbindungspfade. Das ist der Weg in Richtung Selbstregelung. Doch Selbstregelung einzuführen ist keinesfalls mit „Laissez-faire“ gleichzusetzen; die Veränderung muss initiiert und geführt werden (Leadership). Wie schaffen wir es nun, eine gewünschte Kettenreaktion anzustoßen? Die wesentlichen Schritte des CyberPractice®-Vorgehensmodells nach Dr. Boysen werden im folgenden Abschnitt vorgestellt.

2.3 Systembeschreibung

2.3.1 Definition und Einbindung des betrachteten Systems

Problemstellungen sind immer in einen Systemkontext eingebunden. Aus kybernetischer Sicht ist es wichtig, diesen Systemkontext zu erkennen, das heißt, das betreffende System zu beschreiben und sinnvoll von seinem Umfeld abzugrenzen. Um das System in sein Umfeld einordnen zu können, sieht die CyberPractice®-Methode vor, auch die relevanten angrenzenden Systeme und das übergeordnete System, in das das betrachtete System eingebunden ist, zu erfassen.

An einen Vertriebsprozess grenzen beispielsweise ein Supply-Chain-Prozess, ein Human-Resources-Prozess und Herstellungsprozess an. Die Prozesse stehen in Wechselwirkungen zueinander. In das System „Vertriebsprozess“ sind die Vertriebsorganisation, das Marketing-Team, die Produktentwicklung, die Logistik und die Fertigung involviert. Der Vertriebsprozess ist wiederum in den übergeordneten Business-Development-Prozess eingebunden.

CyberPractice® sieht vor, dass Systeme anhand ihrer Struktur abgegrenzt werden. Dazu werden alle systemrelevanten Elemente und die Funktion dieser Elemente sowie ihre wirkungsrelevanten Wechselbeziehungen aufgenommen.

Folgende Fragen helfen, das jeweils relevante System zu erkennen:

  • Wie tritt das System nach außen in Erscheinung (Oberflächenverhalten)?
  • Fließen in das betrachtete System wirklich alle notwendigen und relevanten Informationen ein?
  • Werden die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten im System berücksichtigt?
  • In welche wesentlichen Wirkungszusammenhänge ist das betrachtete System eingebettet?

In der Praxis wird bei der Abgrenzung des Systemumfanges oft zu kurz gegriffen oder es werden angrenzende Systeme nicht hinreichend in die Betrachtung einbezogen. Prozesse werden oft aus der Sicht einzelner Einheiten betrachtet und definiert. Aus diesen Gründen kann es zu einer einseitigen oder unvollständigen Erfassung kommen. Das kann wiederum dazu führen, dass wesentliche Bedürfnisse anderer Einheiten nicht in den definierten Prozess einfließen. Dadurch entstehen Brüche, die die Effektivität des behandelten Prozesses infrage stellen.

Beispiel: Der Prototypenprozess einer konzerngebundenen Produktentwicklungseinheit soll als System definiert und optimiert werden. Die Qualität des Prototypenprozesses hängt maßgeblich von der Qualität des Prototypen-Forecasting ab. Das Forecasting wird vom Vertrieb und vertriebsnahen Funktionen geleistet und muss als Input in den Prototypenprozess einfließen. Die Beschaffung von Prototypenkomponenten, die vom Zentraleinkauf vorgenommen wird, hat einen großen Einfluss sowohl auf die Bereitstellung als auch auf die Kosten der Prototypen. Standortentscheidungen, die im Produktionsbereich getroffen werden, haben ebenfalls einen hohen Einfluss auf die Prototypendurchlaufzeit und auf die Kosten. Standortverlagerungen ziehen oft notwendige konstruktive Veränderungen der Bauteile nach sich. Unterschiedliche Bearbeitungsmaschinen mögen über unterschiedliche Einrichtungen zur Werkstückaufnahme verfügen, die in der Konstruktion der Werkstücke berücksichtigt werden müssen. Solche Erfordernisse können sich auf die Gestaltung von Guss- oder Stanzteilen und damit auf den Formen- bzw. Werkzeugbau auswirken.

Die natürlichen Systemgrenzen können durchaus außerhalb von betrachteten Unternehmensfunktionen und gesellschaftsrechtlichen Organisationseinheiten liegen. Prozesse wirken nämlich in der Regel funktions- und unternehmensübergreifend. Das heißt, dass Systeme nicht unbedingt an Organisationseinheiten gebunden sind. Systeme und Prozesse können deshalb nicht zwangsläufig mit der dahinterliegenden Aufbauorganisation zur Deckung gebracht werden. Zwar zeigt sich die Güte der Arbeitsweise und die Leistung von Organisationen in der Prozessqualität, doch Aufbauorganisationen ergeben sich wegen des Spezialisierungszwanges nicht immer aus dem Prozessfluss. Deshalb müssen Systeme angemessen umfangreich abgesteckt werden. Daraus ergeben sich zwei Empfehlungen: (i) Eine angemessene Erfassung angrenzender Organisationseinheiten und Systeme ist unbedingt sicherzustellen und (ii) die Beteiligten dieser angrenzenden Systeme müssen in die Gestaltung einbezogen werden, um die Prozesse über Organisationsgrenzen hinweg durchgehend zu machen, ohne aber bestehende Spezialisierungsvorteile der eingebundenen Einheiten zu beschneiden.

2.3.2 Zieldefinition

Im nächsten Schritt wird von den Beteiligten gemeinsam ein Ziel formuliert, das mit dem System erreicht werden soll, und zwar vor dem Hintergrund des Umfeldes, in das das System eingebunden ist. Das Ziel ist dann systemisch sinnvoll, wenn der Nutzen, der dem übergeordneten System durch das betrachtete System zugeführt wird, optimiert wird. Auch Unterziele sind nur dann sinnvoll, wenn sie das Hauptziel stützen. Die Herausforderung besteht darin, ein schlüssiges Zielsystem aufzustellen. Dabei kann die Balanced-Scorecard-Methode helfen.

Die Ziele sind die Vorgabe für die zu gestaltende Leistungsfähigkeit des Systems. Jede Aktivität muss sich daran messen lassen, welchen Beitrag sie direkt oder indirekt zur Erfüllung des Ziels leistet. Beiträge, die vordergründig aus der Perspektive einzelner Einheiten sinnvoll erscheinen, im Wechselspiel mit anderen Beiträgen aber zu einer Verschlechterung führen, müssen korrigiert werden.

Bei der systemisch orientierten Zielsetzung können folgende Leitfragen helfen:

  • Sind die Aktivitäten innerhalb des Systems so angelegt, dass sie zirkulär sind, oder haben sie – wie es klassisch üblich ist – einen Anfangs- und einen davon verschiedenen Endpunkt?
  • Ergeben gegebenenfalls mehrere Prozesse zusammen einen zirkulären Prozess?
  • Orientieren sich die Entscheidungen im System an ihren voraussichtlichen Wirkungen und nicht an Absichten?
  • Schließen die Aktivitäten nahtlos aneinander an und ergeben sie einen durchgehenden Prozess?
  • Ist die Varietät des Systems hinreichend ausgeprägt?
  • Besteht genügend Vielfalt innerhalb der Systemelemente, dass Funktionen von verschiedenen Systemelementen ausgeführt werden können (Redundanz)?
  • Sind stabilisierende Rückkopplungsmechanismen verfügbar und wirksam?
  • Ist im System genügend Wissen über das Verhalten des Systems selbst verfügbar?
  • Wo wird Blindleistung erbracht, also Beiträge, die im weiteren Verlauf im System nicht verwendet werden?
  • Wo bestehen Quellen für Fehlleistung wegen unzureichender Abstimmung?
  • Wo fallen wegen fehlender Integration Doppeltleistungen an?
  • Sind die Prozesse der Organisation anschlussfähig (Vernetzungsfähigkeit)?
  • Wird Information vom Umfeld systematisch in die Organisation hineingetragen und sinnvoll verarbeitet?
  • Kann die Organisation auf Chancen und Risiken rasch reagieren?
  • Wird kollektive Intelligenz in der Organisation genutzt?
  • Kann die Organisation aus sich selbst heraus Reserven mobilisieren (Homöostase)?

2.3.3 Bündelung der Prozessschritte in sinnvolle Pakete

Wirkungsgefüge äußern sich in Organisationen als Prozesse. Ein Prozess kann also durchaus als ein System aus Wirkungsflüssen betrachtet werden. Die in den Prozess eingebundenen Einheiten bzw. Personen sind dann die Systemelemente, die im Austausch miteinander einen Ablauf bewirken. Im Zusammenspiel miteinander ergibt sich die Prozessqualität.

Auftragsdurchläufe durch einen Prozess unterliegen denselben Mechanismen wie Werkstücke in einem Fertigungsablauf. Bemerkenswert ist, dass in beiden Fällen in der Praxis oft Beobachtungsfehler gemacht werden, die zu Dysfunktionen führen. Während ein Werkstück von einer Bearbeitungsmaschine zur nächsten gereicht wird, bis am Ende ein Produkt entsteht, passieren nämlich entscheidende Koordinationsschritte im Hintergrund: Informationen und Materialien müssen zu den jeweiligen Bearbeitungsphasen bereitgestellt werden. Um Aufträge durch einen definierten Prozess zu führen, müssen Abstimmungen vorgenommen und Vorbereitungen getroffen werden. Die Prozessqualität hängt maßgeblich von der Güte dieser Abstimmungen und Vorbereitungen und von angemessenen Vorlaufzeiten ab, während die Produktqualität wiederum von der Prozessqualität (beziehungsgebunden) und der Eignung der eingebundenen Bearbeitungszentren, Ressourcen und Arbeitsanweisungen (elementgebunden) abhängt.

Mit CyberPractice®werden Bündel kohärenter Aufgaben zu Prozessschritten zusammengefasst. Der CyberPractice®-Ansatz sieht vor, dass in jedem Prozessschritt die Schnittstellenanforderungen erfüllt werden, die Voraussetzung für den jeweils nächsten Prozessschritt sind. Da in jeden Prozessschritt aber verschiedene Einheiten bzw. Personen eingebunden sind, gilt es, diese Einheiten bzw. Personen (die „Systemelemente“) so miteinander interagieren zu lassen, dass sie gemeinsam das Ziel des betrachteten Prozessschrittes erreichen. So finden die am nächsten Prozessschritt Beteiligten die Voraussetzungen für ihre Arbeit erfüllt. Es mag sogar sein, dass Einheiten bzw. Personen in mehrere Prozessschritte eingebunden sind. Es ist jedenfalls nicht so, dass eine Einheit bzw. Person einen Bearbeitungsstand an eine weitere Einheit bzw. Person weiterreicht, die dann weitere Bearbeitungsschritte am „Werkstück“ ausführt; vielmehr wird eine Sequenz bestimmter Arbeitspakete von Teams aus verschiedenen Parteien abgearbeitet. Deshalb muss das abgestimmte Erreichen der Ziele aller Prozessschritte im Vordergrund des Interesses stehen, nicht die individuellen Leistungen einzelner Handelnder.

2.4 Systemisch angelegter Management-Setup

Der Kopf der CyberPractice®-Methode ist der richtige Management-Setup, der aus den folgenden beiden Komponenten besteht:

  • Schärfung des Bewusstseins des Management-Teams für systemische Zusammenhänge,
  • System Design
  • Abstimmung der Schnittstellen zwischen den Systemelementen und
    • Entwicklung und Einführung geeigneter Rückkopplungsmechanismen.

2.4.1 Schärfung des Bewusstseins des Management-Teams für systemische Zusammenhänge

Der Veränderungsprozess zu systemisch angelegtem Arbeiten muss vom Top-Management initiiert und geführt werden. Eine notwendige Voraussetzung hierfür ist, dass das Top-Management Systemkompetenz entwickelt, wie in Abbildung 2 skizziert. Das bedeutet zunächst, dass eine systemische Haltung sichergestellt werden muss, aber auch, dass das Top-Management über hinreichende Kenntnisse in systemisch greifenden Methoden verfügt. Schließlich muss eine ausreichende Umsetzungskompetenz gegeben sein. Alle drei Voraussetzungen können durch die geeignete Personalauswahl auf oberster Ebene, mittels Coaching und/oder durch geeignete Schulungen geschaffen werden.

Abb. 2: Systemkompetenz als Voraussetzung für gute Ergebnisse.

In klassisch arbeitenden Organisationen hat kaum jemand hat eine Vorstellung davon, wie viel besser die Organisation funktionieren könnte, wenn sie systemisch sinnvoll angelegt wäre. Wird von einem oder mehreren Mitgliedern des Top-Management-Teams der systemische Gedanke nicht mitgetragen, ist jede Veränderungsinitiative zum Scheitern verurteilt. Es obliegt dem Aufsichtsrat bzw. dem Beirat der Unternehmen, die „richtigen“ Top-Leute an Bord zu bringen und sich gegebenenfalls auch von guten Fachleuten an der Spitze zu trennen, sollte sich ihre persönliche Einstellung nicht mit gutem systemischem Management vereinbaren lassen.

CyberPractice® sieht vor, dass Manager, die für systemisches Denken aufgeschlossen sind, durch geeignetes Rüstzeug in die Lage versetzt werden, effektiv zu wirken, indem sie selbst kybernetische Prinzipien anwenden und ihre Organisationen auf systemisches Arbeiten vorbereiten. Eine notwendige Voraussetzung dafür besteht darin, die Grundlagen der Kybernetik zu verstehen und Methoden sicher anwenden zu können.

Methodisches Know-how und Instrumente für systemisch orientiertes Management können in speziellen Seminaren und Workshops erworben und durch Coaching on-the-Job erprobt und gefestigt werden. Im Vordergrund der Schulungsinhalte stehen ein besseres Verständnis des Verhaltens von Systemen, die Bewältigung von Komplexität, Prozessmanagement-Skills und die Befähigung, wirksame Rückkopplungsmechanismen zu installieren.

Schließlich muss auch die Umsetzungskompetenz sichergestellt werden. Dazu werden das Top- und das Middle-Management insbesondere mit Projektmanagement- und Change-Management- Fähigkeiten versehen.

Neben Hinweisen zur Personalauswahl werden in speziellen Maßnahmen die Kommunikations-, Moderations- und Konfliktmanagementfähigkeiten der Führungskräfte entwickelt, um eine hohe Leadership-Qualität im betrachteten Prozess sicherzustellen. Und, nach dem Motto: „Was nicht überprüft wird, geschieht auch nicht“, es werden Management- und Monitoring-Instrumente eingeführt und verwendet, um den Erfolg der Maßnahmen auf dem Weg zu systemischem Management verfolgen zu können. Hierzu zählen vor allem die Balanced-Scorecard-Methode und spezielle Human-Resources-Methoden und -Instrumente.

Während der Umsetzung nach der CyberPractice®-Methode ist es unabdingbar, die Verantwortung für den Prozess den Prozessbeteiligten selbst zu übertragen. Wird dieser wichtige Schritt nicht gegangen, sondern die Verantwortung einer Einzelperson anvertraut, wird die kybernetische Arbeitsweise nicht zum Leben erweckt. Vielmehr riskiert das Management andernfalls bewusst oder unbewusst, dass der Verantwortliche als Sündenbock missbraucht wird, sich aber nichts wirklich verbessert.

2.4.2 System Design

2.4.2.1 Abstimmung der Schnittstellen zwischen den Systemelementen

Zur Verknüpfung der Systemelemente greift die CyberPractice®-Methode nach Dr. Boysen auf das Kanban-Prinzip[1] zurück, ein Hol-Prinzip (auch: Pull-Prinzip), das seit den 1970er Jahren für die Produktionsablaufsteuerung in der Automobilindustrie verwendet wird. Damit das Hol-Prinzip funktioniert, müssen die nachgefragten Informationen, Dienstleistungen und Güter rechtzeitig in der benötigten Menge bereitgestellt werden können. Aus dieser Betrachtung resultieren Schnittstellenanforderungen zwischen den Systemelementen, die zwischen den Beteiligten verhandelt werden müssen. Hier greift die CyberPractice®-Methode Erkenntnisse über das Schwarmverhalten auf. Das einheitliche Auftreten eines Schwarms erklärt sich nämlich aus einfachen Interaktionen zwischen Individuen.[2] Diese Interaktion basiert auf der gleichzeitigen Präsenz von Abstoßung, Ausrichtung und Anziehung: Eine klare und nahtlose Zuordnung der Verantwortlichkeiten sorgt für geringe Reibung (Abstoßung), alles Tun wird an einem gemeinsamen Ziel ausgerichtet (Ausrichtung, Orientierung) und Verständnis für die gegenseitigen Bedürfnisse führen zu abgestimmtem Handeln (Anziehung).

Wenn wir uns – ausgehend von dem Ziel des Prozesses – rückwärts durch die Wertschöpfungskette des Systems bis zur ersten Schnittstelle zwischen den Elementen durcharbeiten, besteht die Kernfrage darin, zu erfahren, welche Voraussetzungen in Bezug auf die Faktoren Material, Information und Energie gegeben sein müssen, damit das Element, das nach der Schnittstelle aktiv werden soll, erfolgreich sein kann. Des Weiteren muss vereinbart werden, wer diese Voraussetzungen schaffen soll. Hier kommen die in den Prozess involvierten Beteiligten ins Spiel. Die Erwartungen an den Schnittstellen werden nämlich zwischen den jeweils Beteiligten ausgehandelt und explizit vereinbart.

In Anlehnung an das Kanban-Prinzip wird mit den Zielen des Gesamtprozesses begonnen. Das sind in der Regel die Ergebnisse, die internen oder externen Kunden zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Prozessziele sind also die Schnittstellenanforderungen zwischen diesen Kunden und dem letzten „Element“ des internen Prozesses. Als nächstes wird ermittelt, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, damit dieses letzte Element seine Aufgabe erfüllen kann. So entstehen die Schnittstellenanforderungen zwischen den beiden letzten Elementen. Diese Vorgehensweise setzt sich durch den Prozess hinweg fort bis zum ersten Element, für dessen Output durchaus ein Lieferant verantwortlich sein kann.

Die Verhandlung der Schnittstellenanforderungen findet in einem kommunikativen Austausch zwischen den Parteien statt, die in die betreffenden Prozessschritte eingebunden sind. Durch die Erfüllung der Voraussetzungen werden die Beteiligten schrittweise befähigt, ihre Aufgabe besser auszuführen.

Die entlang des Prozesses benötigten Informationen werden zunächst aus den Schnittstellenanforderungen gesammelt und zusammengestellt. Im nächsten Schritt werden die datenführenden Informationssysteme, die diese Informationen tragen, identifiziert. Schließlich werden die Informationen an die jeweiligen Anforderer geleitet. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Beteiligten nicht mit zusätzlichen Systemen belastet werden; stattdessen sollten die Informationen entweder in einer prozessübergreifend verfügbaren Anwendung bereitgestellt werden oder in Anwendungen, die die Anforderer bereits einsetzen.

Um einen abgestimmten Ablauf zu erreichen, ist eine problembezogene, vernetzte Arbeitsweise der Beteiligten erforderlich. Die CyberPractice®-Methode schafft in einer Parallelwelt zur hierarchischen Aufbauorganisation Räume für diese problembezogene Vernetzung. Dazu wird ein Systemisches Kompetenz-Team® eingerichtet. Das Systemische Kompetenz-Team ist ein sich dynamisch konfigurierender Arbeitskreis, der sich aus sachverständigen Prozessbeteiligten möglichst aller relevanter involvierter Funktionen und Bereiche zusammensetzt. Bei der Zusammenstellung dieses wichtigen Teams kommt es bewusst nicht auf die Hierarchiestufen an, auf der sich die Teilnehmer befinden, sondern auf deren Gestaltungskompetenz. Allerdings sollten die Mitglieder des Systemischen Kompetenz-Teams eine gewisse Kommunikations- und Gestaltungsfähigkeit mitbringen.

Abb. 3: Systemischer Diskurs als Unterstützung von Management-Entscheidungen: Alle Beteiligten identifizieren sich mit den erarbeiteten Lösungsvorschlägen und unterstützen ihre Umsetzung. Deshalb funktionieren Lösungsvorschläge, die in systemischer Abstimmung gefunden werden. Die Kundenzufriedenheit verbessert sich – und die Motivation der Beteiligten ebenfalls.

Alle Mitglieder des Systemischen Kompetenz-Teams® werden zunächst in Grundlagen kybernetischer Prinzipien geschult, um Verständnis für systemische Zusammenhänge zu schaffen und das Bewusstsein für eigene Beeinflussungsmöglichkeiten zu schärfen. Die Aufgabe der Mitglieder des Systemischen Kompetenz-Teams® besteht darin, kritische Anliegen aus ihren Fachbereichen in den Kreis einzubringen und sie dort mit den anderen Teilnehmern miteinander zu erörtern. Die Präsenz der relevanten Funktionen und Einheiten im Kompetenz-Team ermöglicht eine Problembetrachtung aus allen Perspektiven und führt zu einer systemischen Betrachtung. Dabei werden sowohl die Vielfalt, aus der Neues entstehen kann, als auch das Potenzial verteilter Erfahrungen, aus denen Best Practices abgeleitet werden können, genutzt. Durch die Einrichtung eines Systemischen Kompetenz-Teams® wird ein konstruktiver Diskurs hergestellt, in den alle relevanten Aspekte einfließen (Fakten-Check). Es wird nicht wie sonst oft üblich nach der Pareto-Regel 80/20 vorgegangen; vielmehr werden alle „lokalen“ Aspekte aufgenommen und behandelt, die sich maßgeblich auf das Ganze auswirken können. Dadurch wird der Lösungsraum nicht verengt. Es wird vermieden, dass komplexe Sachverhalte unzulässig reduziert werden, denn die Entscheidungsfindung erfolgt auf der Basis der vollen verfügbaren Information. Relevanzfilter werden durch das Systemische Kompetenz-Team® systemisch angemessen gesetzt. Auch „blinde Flecken“, also wichtige Zusammenhänge, die man prinzipiell wahrnehmen könnte, sie aber aus Naivität, Selbstüberschätzung, Eitelkeit oder Angst nicht wahrnimmt, werden aufgedeckt. Im breit angelegten systemisch angelegten Dialog werden Unstimmigkeiten, Reibungen und Spannungen zuverlässiger erkannt als dies ein Management-Team könnte. Außerdem, und das ist besonders bemerkenswert, ist das Systemische Kompetenz-Team® in der Lage, diese Unzulänglichkeiten unmittelbar im Prozess selbst auszuregeln. Durch das Systemische Kompetenz-Team® wirken Organisationen nicht mehr an den Schnittstellen der „Black Box“ komplexer Sachverhalte, sondern unmittelbar in der Black Box, denn die Teilnehmer verkörpern die komplexen Zusammenhänge und tragen mögliche Konflikte im systemisch angelegten Diskurs aus. Positive Rückkopplungen in diesem mehrschleifigen Diskurs und Lerneffekte tragen dazu bei, dass Best Practices anschließend schnell verbreitet und ausgerollt werden. Deshalb ist nicht nur die punktuelle Effektivität hoch, sondern auch der Wirkungshebel enorm.

Der Dialog im Systemischen Kompetenz-Team® wird moderiert. Der Moderator legt gemeinsam mit den Teilnehmern die Regeln fest, nach denen der Dialog geführt werden soll, und sorgt dafür, dass diese Regeln eingehalten werden. Er moderiert Konfliktgespräche und führt Methoden des systemischen Coachings ein. Dadurch verbessert sich die Konfliktkultur im Systemischen Kompetenz-Team®. Vor allem aber wird dafür gesorgt, dass das System bessere Informationen über sich selbst erhält und zunehmend die Verhaltensmuster erkennt und zu nutzen lernt. Ein besseres Verständnis der Wirkungszusammenhänge und Rückkopplungen im System schärft außerdem den Sinn dafür, dass nicht die Absicht, sondern die voraussichtliche Wirkung das wesentliche Kriterium für Entscheidungen sein sollte (Zirkularität). Dadurch werden Organisationen in die Lage versetzt, sinnvolle neue Ordnungen und Lösungen zu schaffen (Emergenz). Die Mitglieder des Systemischen Kompetenz-Teams lernen im moderierten Diskurs auch, stabilisierende Rückkopplungsmechanismen zu entwerfen. Außerdem sorgt eine gute systemische Moderation des Diskurses dafür, dass von außen nach innen gedacht wird, also die Anforderungen des Systemumfeldes als Ausgangspunkt gesetzt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die nach Ashby[3] erforderliche Varietät erkannt und im System entwickelt wird. Die Handlungsempfehlungen, die das Systemische Kompetenz-Team® erarbeitet, müssen zur Umsetzung in die einzelnen Fachbereiche zurückgegeben werden. Es hat sich in der Unternehmenspraxis – insbesondere in der Übergangsphase zu systemischer Arbeitsweise – als durchsetzungsfähiger erwiesen, wenn die Aufforderung zur Handlung über die formalen Fachvorgesetzten in die Fachbereiche eingespielt werden, statt sie durch die Kompetenz-Team-Mitglieder an ihre Kollegen herantragen zu lassen. Die Umsetzungsempfehlungen, die im Systemischen Kompetenz-Team® entwickelt wurden, werden also in die hierarchische Aufbauorganisation zurückgeführt. Das mag nach einem methodischen Bruch aussehen, aber durch diese Vorgehensweise werden zwei erfolgskritische Anforderungen erfüllt: (i) Die Empfehlungen werden dezentral und aus ganzheitlicher Sicht im systemisch angelegten Dialog erarbeitet und (ii) die verbindliche Umsetzung der resultierenden systemisch sinnvoll abgestimmten Schritte wird durch eine straffe Führung entlang der etablierten Hierarchie erreicht.

Abb. 4: Wirkungskreislauf und Funktionsweise des Systemischen Kompetenz-Teams als „Parallelwelt“ zur Hierarchie

Eine wesentliche Voraussetzung für den Umsetzungserfolg besteht darin, dass die Führungskräfte, die den Fachbereichen vorstehen, das Umsetzungsprojekt kompromisslos unterstützen und fördern. Sie sollten die Umsetzung der Empfehlungen, die im Kompetenz-Team erarbeitet wurde, vorantreiben. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, dürfen die Maßnahmen im Zuge des Management-Setups nicht vernachlässigt werden. Außerdem ist eine entsprechende „enzymische“ Haltung[4] des Top-Managements förderlich. „Enzymisch“ heißt, in Analogie zu den Enzymen, durch die Präsenz und das Schaffen geeigneter Voraussetzungen Vorgänge zu ermöglichen, ohne aber den Weg selbst zu erzwingen. Der Weg ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel der unmittelbar am Prozess Beteiligten. An dieser Stelle schwingt auch eine Facette der Schwarmintelligenz mit: Ein Schwarm organisiert sich selbst. Er funktioniert auch für die einzelnen Mitglieder dann am effektivsten, wenn alle den Fluss des Schwarms erkennen und verstärken, statt ihn zu stören. Enzymisches Management erfordert ein gewisses Vertrauen in die Fähigkeiten des Systems, fördert diese aber gleichzeitig.

Auch methodisch macht es durchaus Sinn, wenn die Lösungsvorschläge für die Herausforderungen, die aus der formalen Aufbauorganisation in die „Parallelwelt“ des Systemischen Kompetenz-Teams® übergeben wurden, dann als Arbeitsergebnisse in die formale Hierarchie eingespeist werden, um das Management in der systemisch abgestimmten Entscheidungsfindung zu unterstützen. In der formalen Hierarchie wird über die Vorschläge des Systemischen Kompetenz-Teams entschieden und gegebenenfalls veränderte Abläufe werden freigegeben. Der Kreislauf schließt sich. Eine systemisch sinnvolle Arbeitsweise stellt keineswegs die hierarchische Aufbauorganisation in Frage. Hierarchie gibt sowohl Verlässlichkeit als auch Sicherheit und motiviert durch perspektivische Karrieremöglichkeiten. Mit CyberPractice® werden aber auch intrinsische Motivationsfaktoren angesprochen. Sie eröffnet dem in eine Organisation eingebundenen Menschen, sich fachlich und persönlich zu entwickeln und seine Kommunikations- und Teamfähigkeit im interdisziplinären Diskurs zu entfalten.

2.4.2.2 Entwicklung geeigneter Rückkopplungsmechanismen

Um den Prozess systemisch stabilisieren zu können, werden Rückkopplungsmechanismen (Feedback-Loops) vorgesehen, die ein Ausbalancieren möglicher Störgrößen, also eine Regelung, ermöglichen. Das Schwarmverhalten aufgreifend äußern sich Störgrößen dadurch, dass entweder die Abstoßung oder die Ausrichtung oder auch die Anziehung nicht richtig funktioniert oder das Zusammenspiel aus diesen drei Kräften nicht im Gleichgewicht steht. Es kann zu Kollisionen kommen oder die Orientierung des Schwarms schwindet oder der Zusammenhalt des Schwarms kann verloren gehen. Um diese unerwünschten Wirkungen zu vermeiden, müssen Störgrößen schnell kommuniziert und vom Schwarm verstanden werden.

Bewährte Mechanismen bestehen, wie bei Tierschwärmen beobachtet, in einer durchgehenden Information über die Fortschritte konkreter Geschäftsvorgänge, die den betrachteten Prozess durchlaufen. Projekt-Stati, Milestone-Ereignisse, Abweichungen und Änderungen werden entlang des Prozesses kanalisiert kommuniziert. Insbesondere (drohende) Abweichungen vom Soll werden unmissverständlich, ggf. mit Hilfe eines rasch zu erfassenden Ampelsystems, unmittelbar an die internen Auftraggeber und an die Beteiligten, die korrektive Maßnahmen einleiten sollen – die benachbarten Individuen im Schwarm –, kommuniziert. Zusätzlich werden Vorfälle, die sich im definierten Prozess nicht auffangen lassen, im Systemischen Kompetenz-Team® besprochen. In diesem Team, in dem alle relevanten Disziplinen und Funktionen repräsentiert sind, kann in der Regel ein Lösungsvorschlag erarbeitet werden können. Es mag sein, dass solche kritischen Vorfälle Anlass geben, den Prozess weiter zu schärfen. Entsprechende Veränderungsvorschläge werden vom Systemischen Kompetenz-Team® als Umsetzungsempfehlung an das Management herangetragen. Sollte das Systemische Kompetenz-Team® nicht in der Lage sein, unter den gegebenen Umständen zu einer abgestimmten Lösung zu gelangen, wird es den Fall an das Top-Management eskalieren. Diese Fälle deuten darauf hin, dass entweder das Problem nicht aus dem System herausgelöst werden kann oder die Organisation formale Schwachstellen aufweist, die nur das Management beseitigen kann. In jedem Fall weist die Rückkopplung nicht lösbarer Probleme in die Hierarchie das Top-Management auf bestehenden Handlungsbedarf hin.

In Umsetzungsprojekten zeigt sich, dass das Systemische Kompetenz-Team® nicht nur im Zuge der Prozessgestaltung, sondern auch beim späteren Einsatz der Rückkopplungsmechanismen eine vitale Rolle spielt. Deshalb sollte das Systemische Kompetenz-Team® nicht aufgelöst werden, nachdem der betrachtete Prozess einmal überarbeitet und eingeführt worden ist. Vielmehr sollte dieses Team auch künftig den Schwarm repräsentieren und das Verhalten der Gesamtorganisation über die laufende Interaktionen zwischen den Individuen prägen.

2.4.3 Die vier System-Services

2.4.3.1 Sinnvolle Neuzuweisung von Ressourcen

Wenn die Systemelemente neu gestaltet worden sind, muss auch überprüft werden, ob die Ressourcen (noch) sinnvoll zugewiesen sind. Werden strukturelle Veränderungen nicht durch eine Anpassung der Ressourcen begleitet, kann es zu asymmetrischen Ausgangsvoraussetzungen und daraus resultierenden Engpässen und Ungleichgewichten im Prozess kommen. Korrekturen müssen mit äußerster Sorgfalt ausgeführt werden.

Dabei sind personelle Kapazitäten, Kompetenzen und Skills ebenso zu überprüfen wie finanzielle und maschinelle Ressourcen sowie andere kapazitative Voraussetzungen. Eine konsequente Zuweisung der Ressourcen gemäß der systemisch sinnvoll gestalteten Prozesse führt in der Regel unter dem Strich zu einer Verringerung der benötigten Ressourcen. Damit dieser Vorteil tatsächlich erschlossen werden kann, muss darauf geachtet werden, dass die Abteilungsleiter eine sinnvolle Zuweisung der Ressourcen aus ganzheitlicher Perspektive unterstützen und keine Sicherung ihrer Pfründe auf Abteilungsebene verfolgen. An dieser Stelle zeigt sich, wie weit systemisches Denken in der Organisation wirklich verankert ist.

Eine personelle Re-Adjustierung kann durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen, denn es sind Stellenprofile zu erstellen, (interne oder externe) Ausschreibungen durchzuführen, Auswahlverfahren zu durchlaufen und vertragliche Veränderungen vorzunehmen. Auch der durch die Umgestaltung erforderliche Einarbeitungsaufwand und der Umgang mit eventuell auftretenden personellen Lücken, die interne Bewerber hinterlassen, und mit Personen, deren Aufgaben künftig entfallen werden, sind zu bewältigen.

Bis diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Übergangszeit zu durchlaufen. Während dieser Übergangszeit ist es besonders wichtig, dass mögliche Unzulänglichkeiten von allen Beteiligten gemeinsam überwunden werden. Ist diese kollektive Verantwortung nicht gesichert, kann die Umsetzung sogar zu Fall gebracht werden. Deshalb sind professionelles Leadership (s. unten), insbesondere Orientierung  und die Vermittlung einer lohnenden Vision  in dieser Übergangsphase wichtig.

Sieht das verabschiedete Umsetzungskonzept Sachressourcen vor, müssen auch diese rechtzeitig bereitgestellt werden. Jede Umschiffung von Investitionsentscheidungen kann in dieser Umsetzungsphase den gesamten Projekterfolg in Frage stellen. Deshalb ist es notwendig, sich vor der Einleitung der Umsetzungsphase grob über den Kosten- und Investitionsrahmen klar zu werden und eine bewusste Ressourcenentscheidung zu treffen.

Werden Systeme mit Impulsen beaufschlagt, benötigen sie eine gewisse Einschwingzeit, um sich wieder zu stabilisieren. Dass sich messbare Erfolge mit einer zeitlichen Verzögerung auf die ergriffenen Maßnahmen einstellen können, sollte bei der Ressourcenzuteilung berücksichtigt werden.[5]

2.4.3.2 Einführung eines wirksamen Multi-Projektmanagements

Der Geschäftsprozess selbst befindet sich auf einer anderen Ebene als die operativen Vorgänge, die durch den Geschäftsprozess geleitet werden. Deshalb genügt es nicht, einen Geschäftsprozess systemisch anzulegen; es müssen auch die Geschäftsvorgänge betrachtet werden, die den Geschäftsprozess durchlaufen.

In der Praxis werden verschiedene Geschäftsvorgänge parallel oder zeitlich versetzt durch einen Geschäftsprozess geführt. Dabei kann es zu einem Wettbewerb um Management-Aufmerksamkeit und andere knappe Ressourcen kommen. Um Terminengpässe und Kollisionen zu vermeiden, ist eine Koordination aller Geschäftsvorgänge zu empfehlen. Ein Multi-Projektmanagement ist dazu unbedingt zu empfehlen. Damit ist gemeint, zu entscheiden, wie mit Engpässen und Kollisionen umgegangen werden soll, Notfallpläne zu erarbeiten und klare Verantwortlichkeiten und Eskalationswege für besondere Situationen festzulegen. Es ist nicht in erster Linie eine IT-basierte Multi-Projektmanagementanwendung gemeint. In vielen Fällen empfiehlt sich allerdings eine geeignete IT-basierte Anwendung zur Unterstützung von Multi-Projektmanagement. Sollte keine entsprechende Anwendung verfügbar sein, sollte eine zum Unternehmen, zu seiner Kultur und zum Geschäft passende Software ausgewählt und eingeführt werden. Bei der Auswahl kommt es insbesondere auf eine intuitive Bedienbarkeit an; der Funktionenumfang ist in den meisten Fällen nachrangig, weil in der Praxis oft nur Basisfunktionen genutzt werden.

2.4.3.3 Integration der Informationssysteme

Zur Umsetzung der prozessübergreifenden Information und Kommunikation zwischen den Beteiligten ist ein gutes Zusammenspiel der Informationssysteme unabdingbar. Die für einen reibungsfreien Ablauf erforderlichen Informationen, die im Rahmen der vereinbarten Erwartungen an den Schnittstellen identifiziert worden sind, müssen allen Betroffenen zeitnah zugänglich sein.

Es sollten aber keine Maximalforderungen gestellt werden, die in der Regel nur durch weitgreifende IT-Integrationsprojekte erfüllbar sind. Vielmehr sollte präzise festgelegt werden, welche Informationen von den Beteiligten wirklich gebraucht werden, um (i) die jeweiligen Aufgaben innerhalb der Prozessphasen gut erfüllen zu können und (ii) die Abstimmung und Lerneffekte über den Prozess hinweg zu unterstützen. Nicht die Masse an Informationen, sondern das richtige Maß und die richtige Kanalisierung tragen zu einer Prozessverbesserung bei. Statt ein umfangreiches IT-Projekt aufzusetzen, ist es empfehlenswert, sich intensiv mit dem Potenzial auseinanderzusetzen, den der betrachtete Prozess birgt.

Wenn klar wird, welche Informationen bereitgestellt werden sollen, muss festgestellt werden, welche Anwendungen bzw. Datenbanken datenführend sind. Empfehlenswert ist es, Anwendern den Zugang zu zusätzlichen Informationen nicht durch zusätzliche IT-Anwendungen zu verschaffen, sondern die Informationen möglichst in Anwendungen bereitzustellen, die von den Informationsempfängern bereits laufend genutzt werden. Gegebenenfalls müssen zwischen den Anwendungen zusätzliche Schnittstellen geschaffen werden. Zusätzliche Benachrichtigungen über einen e-Mail-Push-Dienst (Notification Service) können die Aufmerksamkeit der Prozessteilnehmer für besondere Ereignisse deutlich fördern.

2.4.3.4 Leadership

Jede Organisation benötigt ein nicht zu unterschätzendes Maß an Führung. Diese Führung sollte in Orientierung und einem Regelwerk an Rahmenbedingungen bestehen, innerhalb dessen sich die Mitglieder der Organisation bewegen können. Hierbei bewährt sich der Ansatz des „Enzymischen Managements“[6], der vor allem beinhaltet, dass das Management-Team wie ein Enzym bewirkt, dass Lösungsvorschläge erarbeitet werden, ohne selbst in dem Prozess aufzugehen. Die Aufgabe des Managements besteht darin, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass mit dem Systemischen Kompetenz-Team eine Plattform für einen Dialogprozess neben der Hierarchie entsteht, in dem Lösungen reifen und Störgrößen ausgeregelt werden können. Wie bereits oben erwähnt, ist der Weg zu einer stabilisierenden Selbstregelung keinesfalls mit „Laissez-Faire“ zu verwechseln, sondern eine Führungsaufgabe, die höchste Aufmerksamkeit des Top-Managements erfordert. Um eine ganzheitliche, disziplinenübergreifende Sicht herbeizuführen und wirksame Rückkopplungseffekte zu erschließen, muss der Dialog vom Management initiiert und dafür gesorgt werden, dass die Gespräche im Kompetenz-Team kompetent moderiert werden.

Um die im Systemischen Kompetenz-Team® erarbeiteten Lösungsvorschläge beurteilen zu können, muss das Führungs-Team eine zu große Entfernung von den „Realitäten vor Ort“ vermeiden und über ein solides Verständnis der Verhältnisse auf der operativen Arbeitsebene verfügen. Neben dem Interesse an den zugrunde liegenden Geschäftsprozessen ist eine durchlässige und gute vertikale Kommunikation unerlässlich. Leadership-Schulungen und on-the-job Coaching-Maßnahmen für Führungskräfte verbessern diese wichtige Voraussetzung für gutes systemisches Arbeiten.

Für eine konsequente Umsetzung wird ein starkes Management-Engagement gebraucht.  Damit die Umsetzung wirklich gelingt, muss das gesamte erarbeitete Maßnahmenpaket umgesetzt werden. Würden nur einzelne Elemente herausgegriffen (Cherry-Picking) und andere Maßnahmen bei Seite gelassen, ist mit einem unausgewogenen Resultat zu rechnen. Das würde den systemischen Prinzipien widersprechen, zu neuen Engpässen führen und neue Reibung erzeugen.

Sowohl die kommunikativen Maßnahmen als auch die konsequente Umsetzung der erforderlichen und beschlossenen Umsetzungsschritte können durch ein gutes Projektmanagement, gepaart mit einer hohen Umsetzungsdisziplin, erfolgreich bewältigt werden.

3 Fazit

Die CyberPractice®-Methode ist eine Anleitung, Geschäftsprozesse als Systeme zu verstehen und sie systemisch sinnvoll zu gestalten.

Die Methode basiert auf kybernetischen Grundsätzen und funktioniert, ohne dass diese Prinzipien jedem explizit bewusst sein müssen. Eine ganzheitliche Betrachtung der Geschäftsprozesse in geschlossenen Systemkreisen mit entsprechenden Rückkopplungsmechanismen wird dadurch umgesetzt, dass die Betroffenen selbst ihren Prozess gemeinsam gestalten und leben. Dabei müssen die Wirkungszusammenhänge – anders als bei anderen Methoden, wie einer Sensitivitätsanalyse oder System Dynamics, – nicht explizit gemacht werden; sie werden vielmehr direkt miteinander ausgetragen und Störgrößen werden wirksam ausgeregelt, was dieser Methode einen besonderen Charme verleiht. Mit dem Auftreten von Störgrößen wird sofort im interdisziplinären Dialog eine systemisch verträgliche Lösung erarbeitet und gegebenenfalls auch der Prozess selbst unmittelbar weiterentwickelt und angepasst. Die Analyse und die Umsetzung fallen quasi zusammen. Die Lösungen, die das Systemische Kompetenz-Team entwickelt, entspringen dem System als Ganzem und sind deshalb gut durch- und umsetzbar.

Die CyberPractice®-Methode ist ein Verfahren, das die Betroffenen in die Gestaltung von Lösungen einbindet. Deshalb führt sie zu guten Ergebnissen, manchmal auch (nur) zu sehr guten Kompromissen, die aber gemeinsam getragen werden und deshalb durchsetzungsfähig und besser sind als der Versuch, „die reine Lehre“ top-down anzuweisen. CyberPractice® greift nichts anderes auf, als das, was Fach- und Führungskräfte täglich erleben. Die Beteiligten werden auf natürliche Weise an kybernetische Prinzipien herangeführt. Sie lernen, sich angstfrei in der Parallelwelt des Systemischen Kompetenz-Teams® zu äußern, sehen, wie Systeme Sinnvolles selbst hervorbringen können und wie Menschen einbringen können, was in ihnen steckt.

In Zeiten steigender Informationsflut und zunehmend divergierender Interessen bei steigender Komplexität kommt es auf ein breit angelegtes, gutes Verständnis des Zusammenwirkens an. Die Methode macht sich die Eigenschaft der kollektiven Intelligenz zu eigen und nutzt damit eine Facette der Schwarmintelligenz, die besagt, dass Viele regelmäßig zu einer besseren Entscheidung gelangen als Einzelne. CyberPractice® schafft die Voraussetzungen hierfür.

Deshalb liefern Prozesse, die nach der CyberPractice®-Methode entwickelt und geführt werden, bestmögliche Ergebnisse bezüglich der Dimensionen Qualität, Zeit und Kosten zum Vorteil aller Beteiligten. Dadurch steigen sowohl die Kunden- als auch die Mitarbeiterzufriedenheit, die ihrerseits in Form positiver Rückkopplungen zur weiteren Entwicklung des Systems beitragen.

Die Akzeptanz und die Wirksamkeit des CyberPractice®-Ansatzes in der Unternehmenspraxis sind erwiesen. Damit haben wir eine Lösung gefunden, die methodisch den Anforderungen komplexer Herausforderungen gerecht wird und gleichzeitig in der Unternehmenspraxis praktikabel ist. Die Methode CyberPractice® unterstützt das formale Management laufend bei der systemisch sinnvollen Entscheidungsfindung in der Organisation.


[1] Das Kanban-Prinzip wurde 1947 von Taiichi Ohno in der Toyota Motor Corporation entwickelt und eingeführt. Kanban ist ein Verfahren der kurzfristigen Disposition, das sich am Supermarktprinzip orientiert: Entnimmt ein Verbraucher einem Regal einen Artikel, wird die entstehende Lücke wieder aufgefüllt. Es sollen möglichst genauso viele Artikel vorgehalten werden, dass der unmittelbare Bedarf gedeckt werden kann.

[2] Craig Reynolds entwickelte 1986 eine computergestützte Schwarmsimulation aus sogenannten „Boids“, kleinen dreieckigen Objekten, die sich kollisionsfrei miteinander bewegen und kollektives Verhalten zeigen.

[3] William Ross Ashby zeigte eines der zentralen kybernetischen Erkenntnisse auf, dass nämlich ein System in einem komplexen Umfeld umso mehr Störungen ausgleichen kann, je größer seine Handlungsvarietät ist.

[4] S. Boysen, Werner: Management Turnaround. Wie Manager durch enzymisches Management wieder wirksam werden, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2009.

[5] Vgl.: Senge, Peter: Die fünfte Disziplin, Klett-Cotta, Stuttgart, 2006.

[6] Boysen, Werner: Management Turnaround – Wie Manager durch enzymisches Management wieder wirksam werden, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2009.

Dr. Werner Boysen

Dr. Werner Boysen ist selbständiger Managementberater mit besonderer Ausrichtung auf die nachhaltige Ertragssteigerung und die Stabilisierung von Unternehmen. Mit seiner Dr. Boysen Management + Consulting GmbH (www.dr-boysen-management.de) hat er die virtuelle Managementberatung „consultingcheck“ (www.consultingcheck.de) konzipiert und umgesetzt.

Dr. Werner Boysen

SystemScan als effiziente Anwendung zur Beurteilung systemischer Fähigkeiten von Unternehmen

Abstract

Drastic events such as the financial and economic crisis of 2008/2009, the hurting consequences of the measures taken against the spread of the Covid 19 virus, the vulnerability resulting from dependence on global supply chains, and the far-reaching effects of the conflict between Russia and Ukraine suggest that companies should systematically prepare themselves to cope with turbulence and disruption.

Nature could serve as an illustrative example of resilient action. But it is not a given fact that companies consider their livelihood security as the ultimate goal und try to enhance the resilience of organizations in an efficient manner. Companies tend to provide practical advice on concrete optimization opportunities, rather than their efficiency and profitability. But perhaps they simply lack suitable sensors that specifically capture the capabilities required for resilience.

With SystemScan, a self-assessment of key systemic capabilities, I have developed an innovative web-based application that makes a reliable statement regarding the resilience of organizations in a highly efficient manner and provides practical advice on concrete optimization opportunities.

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Einschneidende Ereignisse wie die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, die Folgen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid 19-Virus, die Vulnerabilität, die sich aus der Abhängigkeit von globalen Lieferketten ergibt, und die weitreichenden Auswirkungen des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine legen Unternehmen nahe, sich systematisch auf die Bewältigung von Turbulenzen und Disruptionen vorzubereiten.

Die Natur könnte als anschauliches Beispiel für resilientes Handeln dienen. Aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Unternehmen ihre Existenzsicherung als das höchste Ziel betrachten und nicht ihre Effizienz und ihre Rentabilität. Vielleicht fehlen Unternehmen aber einfach geeignete Sensoren, die die für Resilienz erforderlichen Fähigkeiten gezielt erfassen.

Mit SystemScan, einem Self-Assessment der systemischen Schlüsselfähigkeiten, habe ich eine innovative web-basierte Anwendung entwickelt, die eine zuverlässige Aussage bezüglich der Resilienz von Organisationen auf hocheffiziente Weise trifft und praxisorientierte Hinweise auf konkrete Optimierungsmöglichkeiten gibt.

Herausforderungen aus der Unternehmenspraxis

Unsere Wirtschaftswelt ist auf Wachstum, Effizienz und kurzfristige Erfolge eingestellt, nicht aber auf Stabilität. Viele Unternehmen sind vom Wachstum sogar existenziell abhängig und verfolgen es als das oberste Ziel. Für ausgewogene Entscheidungen, absichernde Redundanzen, sauber an einer nachhaltigen Strategie ausgerichtete Innovationsaktivitäten, achtsames Management, Konsolidierung und einen wertschätzenden Umgang mit dem Umfeld fehlt in vielen Unternehmen der Blick, die Zeit oder die Ressourcen. So greifen Entscheidungen oft kurz. Entwicklungsinitiativen gehen von den vorhandenen Fähigkeiten aus, statt konsequent von den aktuellen und den sich abzeichnenden Bedürfnissen der Zielkunden auszugehen. Feedback ist häufig nicht in den Geschäftsprozessen etabliert. Organisationale Lernprozesse werden dadurch unterbunden. Solche zunehmend isoliert agierenden Unternehmen entfernen sich von der Realität und können sich perspektivisch nicht mehr marktgerecht in ihr Umfeld einbetten. In der Praxis kann beobachtet werden, dass solche Unternehmen viel Aufwand betreiben, um trotz der spürbaren Widrigkeiten ohne maßgebliche Anpassung in Märkten zu bestehen. Aus dieser Isolation heraus getroffene Entscheidungen mögen vordergründig zu punktuellen Verbesserungen führen, rufen aber in der Regel nur Scheinlösungen hervor, keine nachhaltig greifenden Lösungen. Die Scheinlösungen sorgen sogar kaskadenartig für gravierende Folgeprobleme. Scheinlösungen schwächen die Resilienz von Unternehmen also, statt sie zu stärken.

Die Aufmerksamkeit des Managements ist in vielen Unternehmen vor allem auf die finanziellen Ergebnisse gerichtet. Der zunehmend beachtete Stakeholder-Value-Ansatz und das immer häufiger eingesetzte Führungsinstrument der Balanced-Scorecard weisen zwar in die Richtung, dass neben den finanziellen Ergebnissen auch systemische Facetten berücksichtigt werden sollten. Doch wie kann ermittelt werden, wie systemgerecht ein Unternehmen tatsächlich arbeitet? Wie kann festgestellt werden, dass das Mitarbeiterpotenzial nur teilweise genutzt wird? Wie kann die Reibung in der Zusammenarbeit erfasst werden? Wie kann man sicher sein, dass relevante Informationen von ihrer Organisation aufgegriffen und sinnvoll kanalisiert sowie verarbeitet werden? Wie kann erreicht werden, dass Lösungen ganzheitlich angelegt werden, um sicherzustellen, dass das Gesamtergebnis optimiert wird? Wie lässt sich identifizieren, ob Mitarbeiter einen lohnenden Sinn in ihrer Tätigkeit suchen und Manager ihren Mitarbeitern wieder nachvollziehbare Orientierung geben? Gibt es ein Monitoring darüber, ob Ressourcen im Unternehmen wirklich verantwortungsvoll und nachhaltig eingesetzt werden?

Eine wesentliche Herausforderung liegt darin, die Ausprägung der Resilienz von Organisationen treffend zu identifizieren und die Entscheider praxisgerecht auf Lösungsansätze aufmerksam zu machen, die aus dieser Spirale herausführen können. Um Nutzen zu schaffen, muss vermieden werden, die Wahrnehmung des Managements unreflektiert zu spiegeln (biased view).

Wissenschaftliche Verankerung

Organisationen sind emergente Systeme, die genau das machen, was in ihren Interaktionen angelegt ist. Stafford Beer stellte fest, dass das, was ein System tut, als Zweck dieses Systems betrachtet werden kann.[1] Angeregt durch Interaktionen muss eine Organisation ständig in Bewegung bleiben, um – analog zum Balancieren – laufend neue Stabilitäten, sogenannte Fließstabilitäten, zu finden. Dieser Zustand ständigen Austauschs ist aus der Chemie bekannt, in der gleichgewichtsnahe Zustände durch den ständigen Fluss von Stoffen und Energie aufrechterhalten werden. Systeme müssen sich, wie Lars Onsager 1931 nachwies, immer außerhalb ihres Gleichgewichtszustands befinden, um stabil im Sinne einer laufenden Anpassungsfähigkeit zu bleiben. Der ständige Fluss von Stoffen, Energie und Information ist ein wesentliches Merkmal des Lebens. Der Biologe Karl Ludwig von Bertalanffy prägte 1932 für diesen Regelungsprozess den Begriff „Homöostase“. Für den emergenten Anpassungsprozess sozialer Systeme, wie es Unternehmen sind, führten Niklas Luhmann, Francisco Varela und Humberto R. Maturana die Bezeichnung „Homöodynamik“ ein.[2]

Der für die Homöodynamik erforderliche Austausch setzt sowohl eine Verbindung aller Systemelemente im Unternehmen als auch eine systemgerechte Organisationskonzeption voraus. Als Referenzmodell kann Stafforf Beers Viable-Systems-Ansatz[3] dienen, in dem er die fünf Kernfunktionen lebensfähiger Systeme aus der Natur ableitet. Beer unterschied die wertschöpfenden, ausführenden Aktivitäten von den koordinierenden Aktivitäten, die durch Kommunikation zu Rekursion und Zirkularität führen sollen. Neben diesen beiden Funktionen führte Beer die Optimierung der wertschöpfenden und koordinierenden Aktivitäten durch Monitoring, Auditierung und kontinuierliche Verbesserungen im Hier und Jetzt an. Außerdem erkannte Beer die Notwendigkeit der Anpassung aller Aktivitäten an veränderliche Rahmenbedingungen. Hier sind wir in der Welt der Optionen, die sich in der betrieblichen Praxis durch Marktforschung, Strategie-Foresight, strategische Organisationsentwicklung, Innovation und F&E und das bewusste Verändern bestehender Ordnung niederschlagen kann. Eine Forderung von Beers Viable-Systems-Ansatzes besteht in einem abgestimmten Zusammenspiel aller Aktivitäten. Sobald eine Funktion fehlt oder nicht sinnvoll mit den anderen Funktionen verzahnt ist, verlieren natürliche Systeme an Lebensfähigkeit. Dasselbe trifft gemäß Beer auch auf Organisationen zu.

Ich setze mich in meiner Beratertätigkeit dafür ein, diese fünf Kernfunktionen in den Geschäftsprozessen von Unternehmen anzulegen. Funktionen einzuführen oder zu erhalten, die nicht aus Prozessen abgeleitet werden können, sind nicht nur nutzlos, sondern sogar störend. Auch ein Delegieren einer der Kernfunktionen in Stabsstellen führt zu eingeschränkter Lebensfähigkeit.[4]

Empfehlenswert ist es, Fähigkeiten zu entwickeln, die die Stabilität fördern. Stabilität ist hier ausdrücklich nicht im Sinne eines Verharrens in einem stabilen Zustand gemeint, sondern im Sinne eines fortwährenden Nachjustierens, um bei Einwirkung von Störkräften schnell neue sogenannte Fließgleichgewichte zu finden. Organisationen sollen in der Lage sein, immer beweglich zwischen Zuständen zu fluktuieren, um ihre Existenz zu sichern. Die Lösung liegt in einem fortwährenden, beweglichen Spannungsverhältnis zwischen veränderlichen Anforderungen und angepassten Möglichkeiten.

Dafür gibt durchaus konstruktive Ansätze. Ich befasse mich nun seit 20 Jahren mit kybernetischen Modellen, die eine ganzheitlich abgestimmte Herangehensweise nahelegen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass genau fünf Schlüsselfähigkeiten gebraucht werden, um Stabilität in diesem Sinn und damit Resilienz gegen disruptive Störkräfte zu erreichen:

  1. eine gute Kooperations- und Netzwerkfähigkeit,
  2. eine ausgeprägte Innovationsfähigkeit,
  3. eine angemessene Ressourcenkompetenz, einschließlich der HR,
  4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Organisation und
  5. eine systemgerechte Planungskompetenz.

Um eine Aussage über die Resilienz von Unternehmen treffen zu können, gilt es, diese fünf Schlüsselfähigkeiten in den Organisationen zu hinterfragen.

Kooperation und Netzwerkfähigkeit

Stabilitätskritisch ist die Qualität des Zusammenspiels zwischen einzelnen Personen und zwischen den Arbeitsbereichen, also des Informationsflusses entlang des Geschäftsprozesses in Feedback-Schleifen, und eine möglichst nahtlose Anschlussfähigkeit von Aktivitäten an den Schnittstellen zwischen den betrieblichen Funktionen im Unternehmen. Außerdem hängt die Stabilität von der Qualität von Entscheidungsprozessen ab, einschließlich der konsequenten Einbindung aller Interessen in Entscheidungsprozesse.

Im Zuge der Kooperationsfähigkeit sollte die Schärfe des Unternehmensprofils am Markt hinterfragt werden. Dabei sollte sowohl eine klare Abgrenzung von den Marktpartnern erkennbar sein als auch eine gute Anschlussfähigkeit an das, was Kunden, Lieferanten und Leistungspartner erwarten. Es geht um die Kooperationsfähigkeit, um Kooperationserfolge und um belastbare Partnerschaften. Wichtig ist, dass Unternehmen von ihren Marktpartnern geschätzt und auf natürliche Weise getragen werden.

Es geht aber auch um die Qualität der Vernetzung. Dafür sollten auch die IT-Unterstützung von Kooperationen und schließlich auch Reviews von Kooperationsbeziehungen hinterfragt werden.

Innovationsfähigkeit

Bezüglich der Innovationsfähigkeit ist zunächst interessant zu erfahren, ob im Unternehmen überhaupt ein Innovationsprozess definiert ist. Außerdem sollte erkennbar sein, wie systematisch nach Innovationsmöglichkeiten gesucht wird, welche Quellen für Innovationen herangezogen werden und in welchem Umfang dabei Kreativitätstechniken eingesetzt werden. Mit Innovationen sollte wegen (und trotz) aller Orientierung an Kundenbedürfnissen eine sinnvolle Differenzierung am Markt erreicht werden. Stabilitätsrelevant ist auch, ob der Erfolg des Innovationsmanagements in Reviews hinterfragt wird, ob also das Feedback-Prinzip genutzt wird.

Neben dem Umgang mit Risiken im Innovationsprozess sollte auch der Umgang mit Innovationsbarrieren hinterfragt werden. Schließlich sollte im Zusammenhang mit Innovationen der Umgang mit Schutzrechten und der IP-Rechteverwaltung beleuchtet werden.

Ressourcenkompetenz

Im Zusammenhang mit der Ressourcenkompetenz bietet es sich an, die Nachhaltigkeit allen Handelns zu erfassen. Interessant ist hierbei, ob mit Ressourcen maßvoll umgegangen wird und wie weit in Kreislaufprozessen gewirtschaftet wird. Die Vormaterial- und die Prozessauswahl sowie energetische Prozesskopplungen spielen hier genauso eine Rolle wie die Einstellung zu Wachstum und Stabilität und die Berücksichtigung des Verursacherprinzips und des Total-Cost-of-Ownership-Prinzips.

Als eine wesentliche Bedingung für die Ressourcenkompetenz sollte die Führungskultur, insbesondere der offene Diskurs in der Organisation, der wertschätzende Umgang miteinander und die fachliche, akademische und persönliche Entwicklung von Mitarbeitern beleuchtet werden. Denn dies sind Voraussetzungen für Empowerment und strategisches Denken auch an der Basis.

Bei der Ermittlung der Ressourcenkompetenz geht es auch darum, ob das Unternehmen Reserven und Möglichkeiten für Unerwartbares vorhält. Das verschafft Unabhängigkeit, begünstigt die Veränderungsfähigkeit und fördert dadurch die Resilienz.

Organisationale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Organisationale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist notwendig, um Unternehmen bei veränderlichen Umfeldbedingungen zu einer Homöostase zu befähigen, sich also bei Veränderungen oder bei Einwirkung von Störkräften immer wieder marktgerecht ausrichten zu können. Zu einseitig angelegtes Effizienzstreben kann die Anpassungsfähigkeit behindern. Neues entsteht nämlich kaum im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern meistens an den Rändern, an denen es zu einem Austausch mit dem Umfeld kommt. Hier spielt übrigens die Kooperationsfähigkeit der Anpassungsfähigkeit in die Hände. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass Aktivitäten an den Rändern überhaupt zugelassen werden.

In Bezug auf die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit einer Organisation sollte die Bindung durch Verträge und spezifische Investitionen ermittelt werden. Es sollte erkennbar sein, wie groß die Abhängigkeiten von Lieferanten, bestimmten Vormaterialien, Kunden und Kapitalgebern ist, wie angemessen die Kapitalbindung ist und ob sinnvolle Redundanzen und Alternativen zur Ausfallsicherheit bestehen.

Außerdem sollte erfragt werden, wie weit sich das Unternehmen durch Entscheidungen selbst einschränkt oder Möglichkeiten erhält oder sogar erweitert.

Schließlich sollte auch die Veränderungsfähigkeit der Prozesse und der Umgang mit Unsicherheiten und mit Fehlern ergründet werden. Das mündet in die Frage, inwieweit ein Unternehmen Ursachenanalyse betreibt und eine organisationale Lernfähigkeit beweist.

Systemische Planungskompetenz

Im Rahmen der systemischen Planungskompetenz ist schließlich relevant, in wieweit die Mitarbeiter Sinn und Perspektiven in der Aktivität des Unternehmens erkennen, ob tragfähige Wertvorstellungen verfügbar und kommuniziert sind, wie die Entfaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter aussehen und welche Einflussmöglichkeiten sie auf die Gestaltung des Unternehmens haben. Damit knüpft die systemische Planungskompetenz an die Ressourcenkompetenz an.

Nicht abwegig ist die Überprüfung, ob das Management überhaupt ein zutreffendes Bild von den innerbetrieblichen Zuständen und von den Marktrealitäten hat.

Im Zuge der Beleuchtung der systemischen Planungskompetenz sollte die strategische Konzeptfähigkeit hinterfragt werden. Wie erfolgen strategische Anpassungen? Denkt das Management vernetzt in Wirkungsgefügen? Wer wird in den Budgetierungsprozess einbezogen? Wie wird der Flexibilitätsgedanke bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt? Wird hinreichend agil geplant, um Chancen wahrnehmen zu können?

Für die Beurteilung der Resilienz ist aber auch die operative Planungskompetenz relevant. Wie flexibel können Fixkosten angepasst werden? Wie anpassungsfähig sind Produktstrukturen? Welche Kennzahlen werden für Stabilität verwendet? Gibt es Krisenszenarien? Sind Notfallpläne verfügbar?

Lösungsansatz

Konzeption von SystemScan

Um eine möglichst unvoreingenommene Aussage zur Ausprägung genau dieser fünf Schlüsselfähigkeiten in Unternehmen zu erhalten, habe ich SystemScan entwickelt. Ich habe mich dabei auf produzierende Unternehmen konzentriert, die einen Großteil aller Unternehmen abdecken.

SystemScan ist ein web-basiertes Self-Assessment-Instrument, mit dessen Hilfe Führungskräfte Aufschluss darüber erhalten, wie gut ihre Organisation auf die Herausforderungen unserer komplexer werdenden Welt vorbereitet sind. Damit ergänzen die Ergebnisse von SystemScan übliche Auswertungen des Controlling um eine systemische Perspektive.

SystemScan erfasst, wie gut die Fach- und Führungskräfte ihre Organisation in ihr Umfeld eingebettet sehen, also wie gut Organisationen von ihren Umfeldern getragen werden oder mit welchem Aufwand sie ihre Leistungen gegen Widerstände in den Markt „hineindrücken“ müssen. SystemScan zeigt auch, wie wirkungsvoll sich Organisationen an ihre Umfelder anpassen können, wie sie mit Ressourcen umgehen und wie Planungsprozesse ablaufen.

SystemScan liegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen der Komplexitätstheorie und der Betriebswirtschaft, insbesondere der Unternehmensführung, zugrunde. Darüber hinaus sind in SystemScan fundierte Erfahrungen aus der Management- und Unternehmensberatungspraxis eingeflossen. SystemScan fasst Organisationen als Systeme auf und hinterfragt deren Verhalten und deren Fähigkeiten, mit dynamischer Komplexität, mit der Notwendigkeit, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen, mit Entwicklungsprozessen und maßgeblichen Veränderungen relevanter Rahmenbedingungen umzugehen.

Die Befragung erfolgt über eine web-basierte Anwendung (LimeSurvey). Die Antworten werden über Algorithmen datenbankgestützt ausgewertet. Die Anwendung funktioniert zuverlässig, und die SSL-verschlüsselte Datenübertragung ist sicher. Die einzelnen Antworten der Teilnehmer bleiben, wie schon erwähnt, absolut anonym. Ausgewiesen wird im Bericht nur das konsolidierte Ergebnis.

Ein Report-Generator erstellt vollautomatisch einen Bericht. Die automatisierte Auswertung und Berichterstellung ermöglicht eine hohe methodische Konsistenz bei geringem spezifischem Aufwand. Der fertige Bericht ist sofort nach Beantwortung verfügbar.

SystemScan-Befragung

Die Konzeption von SystemScan sieht vor, dass an der Befragung Fach- und Führungskräfte aus möglichst allen betrieblichen Funktionen und aus unterschiedlichen Hierarchieebenen teilnehmen. In einem mittelständischen Unternehmen mit 250 Mitarbeitern sollten durchaus 30 Personen an der Befragung teilnehmen. Die Befragungsteilnehmer werden per Email zur Befragung eingeladen und in der Anwendung zunächst mit der Befragung vertraut gemacht. Ihnen wird vor allem zugesichert, dass ihre individuellen Antworten absolut vertraulich gehalten werden. Das ist wichtig, um keine geschönten Antworten zu bekommen, die für die Analyse wertlos wären.

Abb. 1: Fragebogen von SystemScan: „Einführung“

Jeder Teilnehmer wird zunächst aufgefordert anzugeben, welche Bedeutung jede der fünf Schlüsselfähigkeiten aus seiner Perspektive für das Unternehmen hat.

Jeder Teilnehmer beantwortet alle Fragen über das Gesamtunternehmen aus seiner Perspektive und mit seinem Erfahrungs- und Beobachtungshintergrund.  Der Aufwand für die Beantwortung beträgt für jeden Teilnehmer etwa 50 Minuten.

Abb. 2: Fragebogen von SystemScan: „Fragen zur Relevanz“

Im Anschluss beurteilt jeder Teilnehmer anhand von 150 strukturierten Fragen die Ausprägung jeder der fünf Schlüsselfähigkeiten im zu auditierenden Unternehmen durch Ankreuzen auf einer Skala von 1-5. Es werden je 30 Fragen zu jeder der fünf Schlüsselfähigkeiten gestellt.

Die Fragen sind durchgehend klar formuliert. Wer dennoch Hilfe bei der Beantwortung benötigt, kann bei jeder Frage eine Hilfefunktion nutzen. Die Beantwortung kann jederzeit unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.

Abb. 3: Fragebogen von SystemScan: „Fragen zur Ausprägung“

Ein Fortschrittsbalken gibt Orientierung über den Status der Befragung.

Abb. 4: Fragebogen von SystemScan: „Hilfefunktion“

Nach vollständigem Ausfüllen des Fragebogens erhalten die Teilnehmer eine Bestätigung und ein eine dankende Verabschiedung.

Auswertung von SystemScan

Die Einschätzungen der teilnehmenden Fach- und Führungskräfte werden dann datenbankgestützt von Algorithmen zusammengeführt und resultieren in einem etwa 50-60 Seiten umfassenden, aus Textmodulen aufgebauten Bericht, der sofort zur Verfügung steht, sobald der letzte Teilnehmer seine Antworten verschickt hat.

Die zugrunde liegende Systematik nutzt die Intelligenz der Vielen. 20 oder 30 Fachleute werden in der Summe zu einem realistischen Bild gelangen. Wenn zu einzelnen Themen voneinander deutlich abweichende Wahrnehmungen aufgenommen werden sollten, wird dies im Bericht explizit ausgewiesen. Denn dies ist ein Hinweis darauf, dass in der Organisation offenbar Kommunikationsbedarf besteht.

Abb. 5: Struktur des SystemScan-Berichts

SystemScan-Dokumentation

Auf dem Deckblatt stehen das Logo und die Kontaktdaten des Unternehmens und die Kontaktdaten des Interim-Managers, der den SystemScan initiiert hat.

Im ersten Kapitel wird zunächst der methodische Hintergrund von SystemScan erläutert, bevor im zweiten Kapitel die Beurteilung des Unternehmens aus systemischer Perspektive ausgeführt wird.

Aus dem Teil der Beurteilung geht hervor, für wie wichtig die Teilnehmer die jeweilige Schlüsselfähigkeit halten und wie gut sie die Schlüsselfähigkeit in ihrem Unternehmen ausgeprägt sehen. Das Ergebnis wird anschaulich grafisch angezeigt.

Abb. 6: Auswertungsgrafik „Relevanz und Ausprägung der systemischen Schlüsselfähigkeiten“

Aus der Differenz lässt sich unmittelbar Handlungsbedarf ablesen.

Der weitere Bericht geht auf jedes hinterfragte Thema ein und beschreibt die wahrgenommenen Qualitäten des Unternehmens. Er liefert zu jedem Thema auch gezielte Empfehlungen zu Verbesserungsmaßnahmen.

Abb. 7: SystemScan-Bericht: „Empfehlungen“

Zu welchem Grad die betrachtete Schlüsselfähigkeit erfüllt ist, ist im Bericht managementgerecht grafisch mit einer Ampelfunktion dargestellt. So kann man sich sofort auf die kritischen Aspekte konzentrieren.

Abb. 8: SystemScan-Bericht: „Ampelsystem“

Die Aussagen, die im Bericht getroffen werden, speisen sich sowohl aus der aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion als auch aus meinen Erfahrungen in der eigenen Management- und Beratungspraxis.

Der übergreifende Ansatz von SystemScan erschließt präzise und aus systemischer Perspektive neue Erkenntnisse über die betrachtete Organisation und kann nachweislich wertvolle Entwicklungssprünge auslösen. Es geht ausdrücklich nicht um Maßnahmen für kurzfristigen Erfolg, sondern um Maßnahmen, die die nachhaltige Stabilität stärken.

Der Bericht kann im auditierten Unternehmen sofort als Fundus wertvoller Anregungen sowie als Leitfaden für die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen eingesetzt werden.

Fazit

SystemScan schärft in einem Self-Assessment das Bewusstsein von Führungskräften für den Einfluss organisationaler Wirkungsgefüge und richtet die Aufmerksamkeit auf die systemisch relevanten Schlüsselfähigkeiten von Organisationen. Führungskräfte erfahren, wie gut die Erfolgsfaktoren in ihrem Unternehmen ausgeprägt sind, die sich aus systemischer Perspektive ergeben. So kann SystemScan als eine sinnvolle Ergänzung bewährter finanzorientierter Erfolgsindikatoren eingesetzt werden.

Der SystemScan-Bericht gibt auch Hinweise auf konkrete Verbesserungsansätze für die Bereiche, die offenbar Potenzial aufweisen. Auf Basis dieser Ergebnisse können die systemisch relevanten Schlüsselfähigkeiten systematisch entwickelt und die Stabilität der Organisation entscheidend verbessert werden.

Perspektivisch wird SystemScan auch für andere als produzierende Unternehmen ausgelegt. Es bieten sich dabei spezifische Varianten für Forschungs- oder Vertriebsgesellschaften, Service-Gesellschaften, insbesondere Finanzdienstleister, oder Unternehmen mit rein web-basierten Geschäftsmodellen an.


[1] Beer, Stafford: Cybernetics and management, The University Press, London 1959, S. 7.

[2] Boysen, Werner: Management-Kybernetik. 12 praxisorientierte Ansätze für die Transformation zum resilienten Unternehmen, Carl-Auer, Heidelberg 2021, S. 16 f.

[3] Beer, Stafford: Brain of the firm, John Wiley & Sons, Chichester 1995, S. 226-228.

[4] Boysen, Werner: Management-Kybernetik. 12 praxisorientierte Ansätze für die Transformation zum resilienten Unternehmen, Carl-Auer, Heidelberg 2021, S. 66.

Dr. Werner Boysen

Dr. Werner Boysen ist selbständiger Managementberater mit Ausrichtung auf die nachhaltige Ertragssteigerung und die Stabilisierung von Unternehmen. Mit seiner Dr. Boysen Management + Consulting GmbH (www.dr-boysen-management.de) hat er die virtuelle Managementberatung „consultingcheck“ (www.consultingcheck.de) konzipiert und umgesetzt.

SystemScan ist unter www.consultingcheck.com/ressourcen/systemscan/ erreichbar.

Dr. Werner Boysen

BoardRoom, eine Simulations-Anwendung für Management-Entscheidungen in Unternehmen


Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors Boysen, Werner: BoardRoom, ein neuer Ansatz zur Unterstützung komplexer Entscheidungsprozesse, in: GWS: Modellbasiertes Management, Konferenz zur Wirtschafts- und Sozialkybernetik KyWi 2013 vom 4. und 5. Juli 2013 in Bern, Band 29, Duncker & Humblot Berlin 2014, S. 366 ff.

Abstract

This article presents “BoardRoom”, an innovative application that can significantly improve the decision-making process in management committees and thus the quality of decision-making in machine and equipment manufacturing companies.

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In diesem Beitrag wird mit „BoardRoom“ eine innovative Anwendung vorgestellt, die den Entscheidungsprozess in Führungsgremien und damit die Entscheidungsgüte in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus maßgeblich verbessern kann.

Herausforderungen aus der Unternehmenspraxis

Unsicherheiten, die sich sowohl aus der hohen dynamischen Komplexität des Marktgeschehens und der Geschäftsprozesse als auch aus offenen oder verdeckten Interessenkonflikten speisen, erschweren es Führungsgremien, den konkreten Situationen angemessene Entscheidungen zu treffen.

In Führungsgremien können verschiedene Sachverhalte ein optimales Entscheidungsverhalten hemmen. Zum einen überlagern sich die Unschärfen, die sich durch das Gemenge aus rationalem Abwägen und emotionalen sowie körperlichen Wahrnehmungen ergeben. Zum anderen wirken sich diverse Transaktionskosten nachteilig auf die Entscheidungsergebnisse aus. Zu diesen Transaktionskosten zählen beispielsweise irrationales Entscheiden auf individueller Ebene, der Spezialisierungseffekt in Unternehmen und opportunistisches Entscheidungsverhalten. Sind Entscheider unerfahren im Wahrscheinlichkeitsdenken und haben keine Kenntnis von Entscheidungsprinzipien, leidet die Qualität von Entscheidungen ebenfalls. Aus diesen Gründen bleibt die Effektivität der Wirkungen von Entscheidungen oft hinter ihren Möglichkeiten zurück. In manchen Fällen werden falsche Entscheidungen von Führungsgremien wegen mangelnder Koordinierung und Irrationalität getroffen und fügen der Organisation erheblichen Schaden zu.

Ohne Kenntnis der Wirkungszusammenhänge und ohne ein geeignetes, entscheidungsunterstützendes Informationssystem sind diese Verluste praktisch unvermeidlich.

Wissenschaftliche Verankerung

Entscheidungsprozess

Entscheidungen dienen dazu, bei einer Konfrontation mit Alternativen Handlungssicherheit herzustellen. Fritz B. Simon und James G. March gliedern den Entscheidungsprozess in eine Phase, in der die Prämissen aufgearbeitet werden („evidence“), und eine Phase der Folgerungen („inferences“), auf deren Basis schließlich Entscheidungen getroffen werden. Die Entscheidungsprämissen sind nach Niklas Luhmann, der an Herbert A. Simons Gedanken zu Rollen als Entscheidungsprämissen[1] anknüpfte, Programme, Kommunikationswege und Personen.[2] Warren McCulloch zufolge stehen die drei Entscheidungsprämissen in einer heterarchischen Beziehung zueinander.[3] Je nach Situation überwiegt eine dieser Prämissen die anderen.

Entscheidungen haben vor allem eine ökonomisch wichtige Funktion: Sie dienen der Konzentration von Aufmerksamkeit und Ressourcen auf die ausgewählte Option. Im Anschluss an die Entscheidung verhalten sich die Mitglieder der Organisation so, als ob die Zukunft sicher wäre. Dadurch wird für sie aus einer Welt voller Ungewissheiten, Vieldeutigkeiten und Widersprüchen vermeintlich eine sichere Welt.[4] March und Simon nennen diesen Vorgang „Unsicherheitsabsorbtion“.[5]

Denken in Wahrscheinlichkeiten statt in Unsicherheit

Das strategische Denken in Wahrscheinlichkeiten erschließt systematisch den Zugang zu Risiken und gibt Hinweise auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken. Dabei ist die Kenntnis der Unsicherheitskategorie wichtig, und zwar in Bezug auf die Wirkungen der jeweiligen Entscheidungsvarianten, wie Heinz von Foerster vorschlug. Es empfiehlt sich zunächst zu unterscheiden, ob die Effekte von Entscheidungen bekannt sind. Ist dies nicht der Fall, sollte unterschieden werden, ob die Wahrscheinlichkeiten der möglichen eintretenden Effekte bekannt sind. Sind die Wahrscheinlichkeiten bekannt, kann eine optimierte Entscheidungsempfehlung in Form einer gemischten Strategie gefunden werden – die risikobehaftete Entscheidung. Andernfalls wird eine Entscheidung unter Unsicherheit gefällt. In letzterem Fall sollte so entschieden werden, dass sich durch die Entscheidung möglichst viele Handlungsmöglichkeiten erschließen,[6] denn durch das Offenhalten von Handlungsspielraum kann zumindest im nächsten Schritt mit höherer Varietät entschieden werden.

Zusammenspiel von rationalem Abwägen und emotionaler Wahrnehmung

Je nach ihrer Natur und Herkunft entscheiden Menschen aufgrund rationaler Abwägungen und emotionaler Wahrnehmung („Bauchgefühl“) in unterschiedlichen Gewichtungen. Neben quantifizierbaren Fakten beeinflussen auch Erfahrungen und Intuition Entscheidungen. Der Neurowissenschaftler António R. Damásio hat nachgewiesen, dass an den meisten Entscheidungen, die wir für vernünftig halten, Emotionen und Körperempfindungen beteiligt sind.[7] Der Biologe und Hirnforscher Gerhard Roth nannte den Fundus an bereits erlebten Emotionen und Empfindungen, der unbewusst in viele Entscheidungsprozesse einfließt, das „emotionale Erfahrungsgedächtnis“.[8]

Klassische Modelle zur Entscheidungsfindung wie diejenigen von John von Neumann und Oskar Morgenstern beruhen auf der Annahme, dass Entscheidungen rational erfolgen; genannt wird dies Nutzentheorie. Die von Richard Thaler Anfang der 1970er Jahre begründete Verhaltensökonomik ergänzt diese Modelle um die Facette, dass Menschen eben nicht unbedingt rational entscheiden. Daniel Kahneman unterscheidet „Econs“, von denen rationales Verhalten erwartet wird, von „Humans“, die sich wegen mitschwingender Emotionen nicht rein rational entscheiden.[9] Sein Aufsatz „Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk“, den er gemeinsam mit Amos Tversky schrieb, erweiterte die Nutzentheorie um die Erklärung von Abweichungen menschlicher Entscheidungen von den Axiomen rationalen Handelns. Seine Neue Erwartungstheorie enthält drei Prinzipien[10], die in Entscheidungen einfließen: das Prinzip der Verlustaversion, das der Referenzabhängigkeit und das der abnehmenden Empfindlichkeit.

Interpersonale Wechselwirkung im Entscheidungsprozess

In größeren Organisationen werden Entscheidungen in Gremien, also in Mehrpersonensystemen, getroffen. Geprägt durch ihre verschiedenen Perspektiven und Positionen, haben die Mitglieder von Entscheidungsgremien unterschiedliche Wahrnehmungen der Realität sowie unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Entscheidungen werden dadurch potenziell ausgewogener. Allerdings stehen die Wirkungen der Entscheidungen einzelner Mitglieder des Führungsgremiums in Wechselbeziehung zu den Entscheidungen anderer. Die daraus resultierende Entscheidungsgüte hängt maßgeblich von der Qualität der kommunikativen Beziehungen im Gremium ab, wie empirische Studien zeigen.[11]

Auslöser von Entscheidungsprozessen in Mehrpersonensystemen ist vor allem die Arbeitsteilung, die mit zunehmender Ausdifferenzierung von Wertschöpfungsnetzen und zunehmender Organisationsgröße kaum vermeidbar ist. Arbeitsteilung führt zu höherer Effektivität, aber auch zu größerer Abhängigkeit und höherem Koordinationsaufwand.[12] „Mit steigender Arbeitsteilung und Spezialisierung nimmt die Schnittstellenproblematik und somit der Koordinationsaufwand zu.“[13] Bereits Platon erwähnte in „Politeia“, dass Menschen über verschiedene Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen würden und sich deshalb spezialisieren und ihre Arbeitsergebnisse untereinander austauschen sollten.[14]  Adam Smith befasste sich im 18. Jahrhundert eingehend mit den Vor- und Nachteilen der Arbeitsteilung.[15] Smith erkannte durchaus den steigenden Koordinationsaufwand, den eine Arbeitsteilung erfordert, und wies auf Einschränkungen durch die Abgrenzung eng gefasster Arbeitsgebiete hin. Arnold Picot et al. bestätigen Smith und empfehlen: „Das Koordinationsproblem besteht darin, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Bedingungen für Teilaufgaben Koordinationsmuster zu finden, die eine möglichst reibungslose Abwicklung der aufgabenbezogenen Beziehungen zwischen den Beteiligten ermöglichen, d. h., die Transaktionskosten zu minimieren.“[16] Heutige Organisationen sind nicht nur auf der Produktionsebene arbeitsteilig ausgestaltet, sondern in der gesamten Organisation bis in die Vorstandsebene hinein. Das bedeutet, dass immer Transaktionskosten entstehen, die sich aus dem Koordinationsaufwand erklären. Die Herausforderung besteht darin, diese Transaktionskosten im Führungsgremium zu akzeptieren, um die sich aus der Arbeitsteilung ergebenden Vorteile nicht durch falsche Entscheidungen zu kompensieren.

Chester I. Barnard definierte Organisationen als „Systeme von bewusst koordinierten Verhaltensweisen oder Kräften von zwei oder mehr Personen“[17]. Die Organisation ist damit der Prozess, der sich aus den Handlungsabfolgen ergibt. Niklas Luhmann griff diesen Gedanken später auf und arbeitete ihn weiter aus. Die Aktivitäten von Personen werden demnach über den Prozess koordiniert –  ein wesentlicher Unterschied zu sozialen Mustern, die sich als emergentes Ergebnis der Interaktion zwischen Individuen ergeben. Während interaktionsbegründete Verhaltensmuster personengebunden bleiben, existieren Organisationen, die auf Prozessen beruhen, personenunabhängig über die Zeit der Interaktion bestimmter eingebundener Personen hinaus. Die Kommunikation zur Planung, Entscheidung und Ausführung von Aktivitäten muss also durch die zu einem Prozess verzahnten Aktivitäten definiert werden. Karl Weick bezeichnet die erforderliche Abstimmung zwischen den Prozessbeteiligten mit „doppelter Interakt“[18]. Luhmann führt sie auf Kommunikation zurück.[19]

In arbeitsteilig angelegten Führungsgremien steigern gute, regelmäßige und disziplinierte Kommunikationsprozesse die ganzheitliche Qualität der Entscheidungen. Folgende Aspekte fließen hier beispielsweise ein: Wie sensibel reagiert die Produktentwicklung auf Erkenntnisse im Produktmanagement? Wie gut sind Supply-Chain-Aktivitäten mit Vertriebsaktivitäten verzahnt? Wie ist die Personalentwicklung mit der Absatzplanung verknüpft? Ist ein übergreifender Prozess nicht vorhanden, impliziert dies, dass per definitionem gar keine Organisation besteht, sondern eher Personen interagieren, die in ein Organisationsschema eingeordnet sind. Genau dieser Sachverhalt lässt sich in der Praxis gelegentlich beobachten. Die Folge ist eine geringe Effektivität der Entscheidungsgremien.

Spieltheoretisch erklärbare Ineffizienz im Entscheidungsprozess

Entscheidungssituationen, deren Resultate sich aus der dynamischen Wechselwirkung mit anderen Entscheidungsträgern ergeben, führen oft zu überraschend instabilen Ergebnissen und zu Ineffizienz. Ein unzureichendes Verständnis der Zusammenhänge („missing the big picture“), das opportunistische Streben nach individuellen Vorteilen und Misstrauen führen im Unternehmensalltag immer wieder zu Situationen, in denen kein Optimum in der Zusammenarbeit erreicht wird.

Am Beispiel des viel zitierten Gefangenendilemmas[20] ist erkennbar, dass rationales Verhalten auf individueller Ebene zu kollektiver Selbstschädigung führen kann, die als Kollektivgutprobleme (CO2-Emission, Wasserverschmutzung) oder soziale Dilemmata (soziale Umverteilung) erfahren werden. Offenbar fallen individuelle und kollektive Rationalität oft auseinander, und die Ergebnisse bleiben dadurch ineffizient. Auf den Zusammenhang, dass sich irrationale, nicht optimale gesellschaftliche Zustände durchaus als Konsequenz strikt rationalen Handelns individueller Akteure ergeben können, machten Brian M. Barry und Russel Hardin in „Rational Man and Irrational Society“ aufmerksam.[21] Kollektivgutprobleme und soziale Dilemmata entstehen dadurch, dass mehrere bis viele Akteure, die in wechselseitiger Interdependenz stehen, sich nicht gut miteinander abstimmen. Um das beste Ergebnis für alle Beteiligten zu erzielen, ist es deshalb erstrebenswert, die Wahrscheinlichkeit kooperativen Verhaltens in Entscheidungssituationen, die sich wechselseitig beeinflussen, zu steigern. In wiederholten Interaktionen können positive Erfahrungen das Vertrauen in das kooperative Verhalten fördern. Aber auch positive Erfahrungen mit bisherigen Transaktionen schließen nicht aus, dass ein Partner künftig eine Entscheidung negativ beeinflusst. Eine bewährte Möglichkeit, die das Vertrauen in künftig kooperatives Verhalten verstärkt, ist die Selbstbindung, beispielsweise durch das Ankündigen künftigen Verhaltens.

Die Rolle von Organisationen im Entscheidungsprozess

Auf den ersten Blick irrational wirkendes Entscheidungsverhalten kann darauf zurückgeführt werden, dass Organisationen nicht deshalb existieren, weil ihre Mitglieder das höchste Interesse am Fortbestand der Organisation haben. Vielmehr erklären sich Organisationen daraus, dass sie es ihren Mitgliedern erleichtern, ihre eigenen Interessen zu verfolgen und ihre Ziele zu erreichen. „Organisationen […] sind Mittel zu unterschiedlichen, oft konkurrierenden und manchmal sich sogar gegenseitig ausschließenden Zwecken.“[22] Luhmann bezeichnet diesen Mechanismus als „Systemrationalität“ – in Abgrenzung zur „Zweckrationalität“.[23] Es geht dabei nicht um den einen besten Weg, ein Ziel für die Organisation zu erreichen, sondern darum, „in der Auseinandersetzung mit relevanten Umwelten […] gangbare Handlungsweisen der Mitglieder zu finden, die mit dem Überleben der Organisation vereinbar sind.“[24] Der amerikanische Mathematiker und Begründer der Kybernetik Norbert Wiener führte 1966 in seinem Werk „Mensch und Menschmaschine“ aus, „[…,] dass die Gesellschaft nur durch das Studium der Nachrichten und der zugehörigen Kommunikationsmöglichkeiten verstanden werden kann“[25]. Kommunikation ist daher der Schlüssel zu einer höheren Effizienz und Effektivität in Führungsgremien – und zur Stabilität von Organisationen.

Verfügbare Anwendungen der Entscheidungsunterstützung für die Unternehmenspraxis

Entscheidungsprozesse werden in der sozial- und in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion zwar behandelt, doch werden keine IT-basierten Anwendungen angeboten, die helfen, konkrete komplexe Entscheidungssituationen in Unternehmen angemessen abzubilden und zu bewältigen.

Zwar wurden mit der Verfügbarkeit von leistungsfähiger IT-Infrastruktur in den vergangenen Jahrzehnten anwendungsfreundliche Tools entwickelt, die es Anwendern erlauben, die von Jay W. Forrester begründete System-Dynamics-Methode (SD) anzuwenden, und es wurden auch überschaubare Modelle mit SD erstellt, mit denen Einzelfragen untersucht werden können. Doch ist dem Autor keine generisch einsetzbare Anwendung bekannt, die das Wirkungsgefüge eines ganzen produzierenden Unternehmens angemessen modelliert.

Das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg befasst sich mit Methoden, Verfahren und Werkzeugen zur Modellierung, Simulation und Optimierung von Produkten, Fabriken, Betriebsmitteln und Prozessen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf den Bereichen der Produktionsplanung und der Gestaltung der Fabrik. Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) konzentriert sich auf die Produktionsplanung und die Gestaltung der Fabrik im engen Kontext der Produktionssteuerung.[26]

Die dem Autor bekannten Ansätze bleiben eher allgemein oder greifen nur einen Ausschnitt aus dem Geschäftsprozess produzierender Unternehmen heraus. Letztere konzentrieren sich auf die Produktion und die unmittelbar mit der Produktion verbundenen Supply-Chain-Management-Aktivitäten. Das Zusammenspiel der produktionsnahen Funktionen mit allen anderen betrieblichen Funktionen – also Produktmanagement, Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb, Personalmanagement, Finanzen und Controlling –, in denen maßgebliche Entscheidungen getroffen werden, die in der Summe eine integrierte Unternehmensführung ausmachen, wird nicht behandelt.

Die Grundlage für Entscheidungen sind i. d. R. verteilt vorliegende Daten, die mittels Data-Warehousing-Prozessen ERP- und PPS-Anwendungen zugänglich gemacht werden. Gute Management-Cockpits erlauben seit den 1990er Jahren mittels Online Analytical Processing (OLAP) den Blick auf Daten aus verschiedenen Perspektiven und auf unterschiedliche Detaillierungsebenen („Zoom“-Funktion). Solche Executive-Information-Systeme (EIS) gewährleisten anhand aggregierter Vergangenheitsdaten den Überblick über das Gesamtgeschehen und lenken die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern auf wesentliche kritische Bereiche und Fehlentwicklungen. Je nach Implementierungstiefe ermöglichen sie über die reine Ansicht von Information (Datenfokus) hinaus Modellrechnungen in Form von Szenarien oder Prognosen (Decision Support Systems, DSS) und sind zunehmend auch handlungsleitende Business-Intelligence (BI)-Systeme.

Kommerziell verfügbare DSS und BI-Systeme verwenden üblicherweise Scoring-Methoden, um alternative Optionen zu bewerten und Empfehlungen zu generieren. In Scoring-Modelle fließen i. d. R. ausschließlich „Hard Facts“ ein, die in Datenform vorliegen. „Weiche“ Faktoren, die gerade für das Verständnis der Auswirkungen von Interdependenzen zwischen Fachabteilungen wichtig sind, bleiben unberücksichtigt. Das liegt daran, dass sich Messungen oft auf Daten konzentrieren, die verfügbar sind, und nicht auf solche, die diffus, aber dennoch einflussreich sind. Außerdem werden die Daten lediglich aggregiert, nicht aber in ihren vielschichtigen Wechselwirkungen berücksichtigt. Diese werden nämlich oft nur unzureichend erkannt. Analysen in der Unternehmenspraxis greifen oft zu kurz und sind nicht komplex genug. Auf diese Weise generierte Ergebnisse führen zu Handlungsempfehlungen, die Entscheidungsträger in einer trügerischen Sicherheit wiegen und sie unter Umständen zu falschen Entscheidungen verleiten. Mit Systemen, die isolierte Fakten verknüpfen, können zwar in linearen Ursache-Wirkungs-Beziehungen Trends angezeigt und Prognosen für einen überschaubaren Zeitraum erstellt werden. Doch können keine Wirkungen alternativer Vorgehensweisen in komplexen Wirkungsgefügen simuliert werden. Dafür muss das relevante interne Wirkungsgefüge der betrachteten Organisation vollständig erfasst werden.

Die System-Dynamics-Methode erscheint dem Autor ein geeignetes Instrumentarium, um dynamisch-komplexe Sachverhalte angemessen zu erfassen und die Wirkungen von Entscheidungen in solchen Systemen anschaulich zu machen.

Lösungsansatz

Der Autor untersucht und gestaltet in seiner Unternehmensberatungspraxis seit vielen Jahren systemische Wirkungsgefüge und befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit Entscheidungsprozessen in Führungsgremien. Immer wieder trifft der Autor auf Prozesse zur Entscheidungsfindung, die nicht weit genug greifen, wesentliche Parameter oder Interessen unberücksichtigt lassen oder nicht ausreichend abgestimmt erfolgen.

Diese Missstände können nur durch das Erfassen des komplexen Gesamtgeschehens und durch eine gute Abstimmung im Führungsgremium beseitigt werden. Dynamisch-komplexe Gefüge zeichnen sich sowohl durch verzögerte Ursache-Wirkungsbeziehungen als auch durch Rückkopplungseffekte zwischen den einzelnen Variablen aus.[27] Da die menschliche Auffassungsgabe nicht geeignet ist, die Effekte von mehr als vier bis fünf vernetzt wirkenden Einflussfaktoren bewusst zu erfassen, sind Entscheidungen, die zu einem angemessen vernetzten Handeln führen, ohne geeignete IT-basierte Unterstützung nicht möglich. Deshalb entschied sich der Autor dazu, eine Pilotanwendung zu schaffen, mit der auf Basis eines mit der System-Dynamics-Methode modellierten Wirkungsgefüges eines Unternehmens die Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmenbündel auf das Betriebsergebnis simuliert werden können.

Produzierende Unternehmen mit Projektgeschäft weisen aufgrund ihrer besonders großen Vielfalt an betrieblichen Funktionen und der hohen Veränderlichkeit der Verhältnisse eine besonders hohe dynamische Komplexität auf. Deshalb wählte der Autor für den Piloten den Maschinen- und Anlagenbau.

Aufbauend auf einen schon im Zeitraum 2012/13 mit dem Consideo Modeler durchgeführten Ansatz habe ich 2020/21 gemeinsam mit Dirk Heinemeyer, damals Studierender in einem Masterstudiengang an der Universität Stuttgart, eine verbesserte modellbasierte Simulationsanwendung für den gesamten Geschäftsprozess von Maschinen- und Anlagenbauern entwickelt, umgesetzt und getestet, die es erlaubt, die allgemeinen Verhaltenstendenzen sowie Denk-, Hypothesenbildungs-, Planungs- und Entscheidungsmuster von Führungsgremien zu identifizieren und transparent zu machen. Die Simulation hilft dabei, die Faktoren zu identifizieren, die die Stabilisierung eines solchen Unternehmens fördern bzw. behindern, und geeignete Maßnahmenbündel herauszuarbeiten.

Grundstruktur des Models

In der Anwendung, die ich „BoardRoom“ genannt habe, haben wir die Zusammenhänge in einem typischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus als realitätsnahes, komplex vernetztes ökonomisches und soziales Gefüge mit der System-Dynamics-Anwendung Vensim modelliert.

Management-Teams können auf der Basis dieses Modells Entscheidungen treffen. Die Simulation der dynamisch vernetzten Auswirkungen von Entscheidungen zeigt, ob sich die Lebensfähigkeit durch konkrete Entscheidungen im Management-Team gegenüber dem Status-quo eher verbessert oder eher verschlechtert. Zu interpretieren sind die ausgegebenen Ergebnisse also so, dass die Entwicklung eines Unternehmens, das sich weiterhin in einem Abwärtstrend befindet, horizontal angezeigt wird, weil es in diesem Abwärtstrend verharrt und sich keine Verbesserung einstellt.

Die Anwendung macht Nutzern deutlich, dass die Zielgröße „Verbesserung der Lebensfähigkeit“ nur indirekt beeinflussbar ist. Es wird anschaulich, dass die Zielgröße der Lebensfähigkeit von Unternehmen von der Qualität des Zusammenspiels der Bestandsgrößen (stock parameters) bestimmt wird. Folgende sieben Qualitäten wurden im Modell als Bestandsgrößen definiert:

  1. Angemessener Auftragsbestand
  2. Hoher Auftragseingang
  3. Geringer Auftragsrückstand
  4. Hohe Deckungsbeiträge
  5. Niedrige Einkaufspreise
  6. Hohe Ausführungseffizienz
  7. Hohe Motivation

Diese Bestandsgrößen dienen als Indikatoren, können aber nicht unmittelbar, sondern nur indirekt beeinflusst werden, und zwar durch die Flussvariablen (flow parameters).

Im Modell wurden folgende Qualitäten der Flussparameter berücksichtigt, die mehr oder weniger direkt beeinflussbar sind und sich in ihrem Zusammenspiel auf die Ausprägung der Bestandsgrößen auswirken:

  1. Angemessene technische Vertriebsunterstützung
  2. Attraktive Produkte
  3. Durchgehende und vernetzte betriebliche Prozesse
  4. Fokussierte Vertriebsaktivität
  5. Gute betriebsinterne Information und Kommunikation
  6. Gutes Leadership
  7. Hinreichende Kapazität
  8. Hinreichende Personalqualifikation,
  9. Hohe Qualität des Managements von Kundenprojekten
  10. Kommerziell angemessene Produktqualität
  11. Kommerziell angemessene Service-Qualität
  12. Langfristig ausgerichtete Strategie
  13. Leistungsfähiges Innovationsmanagement
  14. Niedrige Personalkosten
  15. Rechtzeitige Rohmaterialverfügbarkeit
  16. Solide Rückmeldedisziplin aus der Fertigung
  17. Sorgfältige Auftragsvorbereitung inkl. CNC-Programmierung
  18. Sorgfältige Kalkulation
  19. Stabilisierende kurze Rückkopplungsschleifen
  20. Wirksame Fertigungsplanung und -steuerung
  21. Wirksame Qualitätssicherung
  22. Wirksames Controlling
  23. “Ohr” dicht am Markt

Das entwickelte generische System-Dynamics-basierte Modell kann über frei parametrisierbare Variablen so eingestellt werden, dass es der aktuellen Situation eines konkreten Maschinen- oder Anlagenbauers entspricht.

Das der Simulation zugrundeliegende Modell bildet anhand dieser 31 in einem Wirkungsgefüge nach Frederic Vester[28] miteinander dynamisch vernetzter Variablen ein typisches produzierendes Unternehmen ab.

Abb. 1: Wirkungsgefüge für Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau.

Gewählte Entscheidungen können mittels Zuweisung von Budgetgrößen frei dimensioniert werden. Die Wirkungsstärke der gewählten Maßnahmen auf andere Einflussgrößen ist in Abhängigkeit vom allokierten Budget voreingestellt (Gewichtung). Die indirekten Wirkungen von Veränderungen auf Bestandsgrößen ergeben sich aus dem Modell. Es bildet ab, dass die Wirkung bestimmter gewählter Maßnahmen auf das Betriebsergebnis mit einer realitätsgerechten Funktion (Sprungfunktion, lineare Funktion, degressive Funktion oder S-förmige Funktion mit Asymptote) und ggf. zeitverzögert eintritt, wie beispielsweise die Wirkung von Reorganisationsschritten. Des Weiteren ist im Modell für bestimmte Maßnahmen eine Abklingrate angelegt, mit der die Wirkung der jeweiligen Maßnahme, beispielsweise einer Schulung, nach einer gewissen Zeit nachlässt.

Alle Voreinstellungen betreffend die Wirkungsstärke und die Eintritts- sowie Abklingfunktionen sind durch verschiedene S/imulationsläufe auf ihre Plausibilität hin überprüft worden. Allerdings können durch die freie Parametrisierbarkeit des Modells alle Werte maßnahmenspezifisch angepasst werden, falls dies im Einzelfall sinnvoll erscheint.

Abb. 2: Einstellung der Unternehmenssituation mit BoardRoom.

Mit BoardRoom lassen sich die Qualitäten eines zu simulierenden Unternehmens einstellen.

Abb. 3: Entscheidung für die Budgetverteilung mit BoardRoom.

Dann können aufgrund der erkannten Situation des Unternehmens Entscheidungen über eine Budgetzuweisung zu den Flussvariablen getroffen werden. Zur Orientierung wird jeweils die zuvor getroffene Einschätzung der Qualität der Flussvariablen angezeigt.

Abb. 4: BoardRoom-Ergebnisanzeige der Entwicklung der Lebensfähigkeit in Abhängigkeit vom Ressourceneinsatz (Entwicklung der Leistungskennzahl).

Es ist ersichtlich, dass sich die Leistungskennzahl mit einer Verzögerung S-kurvenförmig verbessert. BoardRoom ermöglicht auch den direkten graphischen Vergleich alternativer Ansätze.

Abb. 5: BoardRoom-Ausgabe der Entwicklung der Bestandsgrößen.

In diesem Beispiel ist erkennbar, dass die Motivation zunimmt (orangene Kurve links), während die Personalkosten (grüne Kurve rechts) ungünstiger werden, aber die Lebensfähigkeit steigt.

Abb. 6: BoardRoom-Ausgabe ausgewählter Bestandsgrößen gemeinsam mit der Zielgröße.

Es lassen sich beliebige und beliebig viele Bestandsgrößen gemeinsam mit der Zielgröße graphisch ausgeben.

Workshop zu BoardRoom

Eine für den Entscheidungsprozess förderliche Kommunikation kann in einem systemisch angelegten Diskurs[29] geübt werden. Dazu habe ich einen Workshop konzipiert, der den Teilnehmern unter Einsatz der Anwendung „BoardRoom“ Hinweise geben kann auf den Charakter komplexer Entscheidungssituationen, Techniken für ein treffenderes Erfassen komplexer Wirklichkeiten, den Einfluss guter Kommunikation für die Entscheidungsgüte und die Gestaltung eines Prozesses für lösungsorientiert abgestimmte Entscheidungen im Führungskreis. Der Workshop zeichnet sich dadurch aus, dass im Führungsgremium aktiv daran gearbeitet wird, in einem ganzheitlich angelegten Diskurs über die Handlungsmöglichkeiten zu abgestimmten Entscheidungen zu gelangen, die die Gesamtsituation optimieren. Im Workshop werden folgende mögliche Ursachen ineffektiver Entscheidungen adressiert:

  • die Auswirkungen arbeitsteiliger Entscheidungen und die Notwendigkeit hinreichender Koordination des Entscheidungsprozesses,
  • irrationale Entscheidungskriterien Einzelner wie Verlustaversion, abnehmende Empfindlichkeit und Referenzabhängigkeit,
  • Auswirkungen individueller Rationalität auf den Gesamtnutzen (Kollektivgutprobleme), Folgen von Vertrauensmangel, fehlendes „Big Picture“,
  • fehlendes Denken in Wahrscheinlichkeiten und Szenarien sowie mangelnde Kenntnis bewährter Entscheidungsprinzipien und
  • ein fehlender formaler Entscheidungsprozess.

Während das Führungsgremium im Workshop dann „sein Unternehmen“ führt, wird veranschaulicht, wie die Einflüsse von Einzelentscheidungen der Führungskräfte in ihrem komplexen Wechselspiel das Betriebsergebnis des Unternehmens beeinflussen. Insbesondere werden dabei folgende Merkmale guten Entscheidungsverhaltens adressiert:

  • Wie gut kennen die Führungskräfte die Gesamtsituation ihres Unternehmens?
  • Beseitigen die Führungskräfte nur Symptome oder betrachten sie die vordergründig wahrgenommenen Missstände genauer und ergründen sie die Ursachen für Fehlentwicklungen? Wie gründlich werden Hypothesen geprüft?
  • Erkennen die Führungskräfte Entwicklungstendenzen? Erkennen sie Anzeichen für exponentiell ablaufende Vorgänge?
  • Werden Maßnahmenbündel fein abgestimmt? Wie stark neigen die Führungskräfte zur Übersteuerung von Maßnahmen?
  • Wie gut koordinieren die Teilnehmer ihr Verhalten?
  • Gibt es im Führungsgremium ein hohes Maß an Gruppendynamik? Gibt es im Führungsgremium Hinweise auf „Group-Thinking“?

Die Mitglieder von Führungsgremien werden quasi on the job auf ihr Entscheidungsverhalten und das erschließbare Potenzial aufmerksam gemacht. Es werden ihnen Methoden vermittelt, deren Anwendung ihr Entscheidungsverhalten maßgeblich verbessern kann. Die Motivation, das Entscheidungsverhalten zu verändern, verstärkt sich mit verbesserten Simulationsergebnissen. Durch weitere Simulationen kann die Anwendung der Methoden eingeübt werden.

Fazit

Als eine innovative BI-Komponente auf Basis des gesamten Wirkungsgefüges eines Unternehmens des Maschinen- und Anlagenbaus ist BoardRoom eine sinnvolle Ergänzung zur Entscheidungsunterstützung. Der wesentliche Nutzen bei der Anwendung von BoardRoom liegt in einer vergleichenden Beurteilung der Wirkung von möglichen Maßnahmen-Kombinationen auf die Lebensfähigkeit des Unternehmens. BoardRoom lenkt die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger auf die relevanten Maßnahmen zur Stabilitätsverbesserung und konzentriert die verfügbaren Ressourcen auf die wesentlichen Hebel. Die Workshop-Teilnehmer erkennen ihren Einfluss auf das Gesamtergebnis. Sie erleben die Auswirkungen nicht-rationalen Entscheidens ebenso wie spieltheoretische Effekte. Durch diese Erkenntnisse können zeit- und kostenintensive Konsequenzen von Fehlentscheidungen vermieden werden.

Folgende Erweiterungsmöglichkeiten bestehen für BoardRoom:

  1. Auslegung des Modells für weitere Geschäftstypen neben dem Projektgeschäft (Zulieferer) und weitere Branchen (Handel, Dienstleistungen).
  2. Erweiterung der Anwendung um die Möglichkeit einer wirklichen Reverse-Simulation, die ausgehend von einer spezifischen Ausgangssituation für die gewünschte Lebensfähigkeit alternative wirksame Maßnahmenbündel vorschlägt.
  3. Berücksichtigung der Wirkung besonderer Umfeldeinflüsse (Wild Cards) auf das Betriebsergebnis (Wettbewerbsaktivitäten, Markteinbruch, Rohstoffverknappung oder -verteuerung, politische Entscheidungen etc.).
  4. Erweiterung dieses Modells, das ich für den Maschinen- und Anlagenbau konzipiert und umgesetzt habe, auf andere Branchen bzw. sogar eine Verallgemeinerung für beliebige Branchen.

[1] Simon, Herbert A. (1957): Models of Man. Social and rational. Mathematical essays on human behaviour in social setting, S. 201.

[2] Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 223 ff.

[3] McCulloch, Warren: A Heterarchy of Values determined by the Topology of nervous Nets, Bulletin of Mathematical Biophysics 7, University of Michigan, Health Research Institute, University of Chicago 1945.

[4] Simon, Fritz B.: Tödliche Konflikte. Zur Selbstorganisation privater und öffentlicher Kriege, Carl-Auer Verlag, 2. erweiterte und korrigierte Auflage, Heidelberg 2004, S. 67.

[5] March, James G.; Simon, Herbert A.: Organizations, Basil Blackwell, Cambridge (MA), 2. Auflage, S. 165.

[6] Von Foerster, Heinz (1993): S. 78: „Sag ihnen, sie sollten immer so handeln, die Anzahl der Möglichkeiten zu vermehren […].“

[7] Damásio, António R.: Descartes‘ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, List Verlag, München.

[8] Roth, Gerhard (2001): S. 231.

[9] Kahneman, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler Verlag, München 2012, S. 333 ff.

[10] Novemsky, Nathan; Kahneman, Daniel: The Boundaries of Loss Aversion, in: Forthcoming Jounal of Marketing Research, Vol. 42, No. 1, Chicago (IL) 2005.

[11] Collins, Jim: Der Weg zu den Besten, dtv, München 2003.

[12] Vgl. Boysen, Werner: Interorganisationale Geschäftsprozesse in virtuellen Marktplätzen. Chancen und Grenzen für das B-to-B-Geschäft, Gabler Verlag, Wiesbaden, S. 29 ff.

[13] Boysen, Werner: Interorganisationale Geschäftsprozesse in virtuellen Marktplätzen. Chancen und Grenzen für das B-to-B-Geschäft, Gabler Verlag, Wiesbaden, S. 32.

[14] Platon 2, 370 c.

[15] Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes to the Wealth of Nations, 1776, Nachdrucke Indianapolis, Indiana (USA) 1981 und in deutscher Sprache: Recktenwald, Horst Klaus (Hrsg.): Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, dtv, München, basierend auf Adam Smiths Ausgabe von 1789.

[16] Picot, Arnold; Reichwald, Ralf; Wigand, Rolf T.: Die grenzenlose Unternehmung, Gabler Verlag, Wiesbaden, S. 22.

[17] Barnard, Chester I.: The Functions of the Executive, Harvard University Press, Cambridge (MA) 1938, S. 73.

[18] Weick, Karl: Der Prozess des Organisierens, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1979, S. 168 f.

[19] Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, S. 193 ff.

[20] Der Grundgedanke des Gefangenendilemmas geht auf Merrill Flood und Melvin Dresher zurück, zwei Mitarbeiter der Rand Corporation. Das Konzept wurde von Albert William Tucker 1950 aufgegriffen.

[21] Barry, Brian M.; Hardin, Russell (Hrsg.): Rational Man and Irrational Society? Beverly Hills Sage, 1982)

[22] Simon, Fritz B.: Tödliche Konflikte. Zur Selbstorganisation privater und öffentlicher Kriege, Carl-Auer Verlag, 2. erweiterte und korrigierte Auflage, Heidelberg, S. 30 f.

[23] Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 447.

[24] Simon, Fritz B.: Tödliche Konflikte. Zur Selbstorganisation privater und öffentlicher Kriege, Carl-Auer Verlag, 2. erweiterte und korrigierte Auflage, Heidelberg 2000, S. 32 f.

[25] Wiener, Norbert: Mensch und Menschmaschine – Kybernetik und Gesellschaft, Athenäum Verlag, Frankfurt und Bonn 1966, S. 20.

[26] S. VDI 4499: Blatt 1, S. 3.

[27] Quelle: https://www.systemdynamics.de/system-dynamics-method/ueber-system-dynamics/allgemein/.

[28] Vester, Frederic: Die Kunst, vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität, 8. Aufl., Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011, S. 194 f.

[29] Boysen, Werner: Kybernetisches Denken und Handeln in der Unternehmenspraxis. Komplexes Systemverhalten besser verstehen und gezielt beeinflussen, Gabler, Wiesbaden 2011, S. 80 ff.

Dr. Werner Boysen

Dr. Werner Boysen ist selbständiger Managementberater mit Ausrichtung auf die nachhaltige Ertragssteigerung und die Stabilisierung von Unternehmen. Mit seiner Dr. Boysen Management + Consulting GmbH (www.dr-boysen-management.de) hat er die virtuelle Managementberatung „consultingcheck“ (www.consultingcheck.de) konzipiert und umgesetzt.

BoardRoom ist unter www.consultingcheck.com/ressource/boardroom/ verfügbar.

Dr. Werner Boysen

consultingcheck als Antwort auf den Bedarf an abgestimmten Entscheidungen in Unternehmen

Abstract

Expertise in companies is becoming more and more differentiated, leading to increasing specialization. With this specialization, communication barriers build up, causing friction and disruption along business processes.

Both professionals and managers suffer from these inefficiencies, and many are looking for ways to foster understanding of each other and aim to align expectations with opportunities.

consultingcheck is a web-based management consulting application that uses guided dialogues to alert professionals and executives in companies of all industries and sizes to systemically relevant issues and helps them make holistic and well-aligned decisions that have a lasting impact.

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Die Expertisen in Unternehmen differenzieren sich immer weiter aus und führen zu einer zunehmenden Spezialisierung. Mit dieser Spezialisierung bauen sich Kommunikationsbarrieren auf, die zu Friktionen und Brüchen entlang der Geschäftsprozesse führen.

Fach- und Führungskräfte leiden unter diesen Ineffizienzen, und viele suchen nach Möglichkeiten, das Verständnis füreinander zu fördern, mehr Überblick zu gewinnen und Erwartungen mit Möglichkeiten in Einklang zu bringen.

consultingcheck kann diese Bestrebungen fördern. consultingcheck ist eine web-basierte Anwendung der Managementberatung, die Fach- und Führungskräfte in Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen in einem geführten Dialog auf systemisch relevante Aspekte aufmerksam macht und ihnen hilft, ganzheitlich angelegte und gut abgestimmte Entscheidungen zu treffen, die nachhaltig wirken.

Herausforderung aus der Praxis

Die Expertisen in Unternehmen differenzieren sich immer weiter aus und führen zu einer zunehmenden Spezialisierung. Mit der Spezialisierung entsteht ein Tunnelblick auf das eigene Ressort. Kommunikationsbarrieren bauen sich auf, die zu Friktionen und Brüchen entlang der Geschäftsprozesse führen. In den einzelnen betrieblichen Funktionen wird professionell gearbeitet, aber jede Einheit kämpft für sich allein. Die potenzialstarken Hebel zur Ertragssteigerung und zur Stabilisierung von Unternehmen liegen in der Beseitigung dieser babylonischen Verhältnisse an den Schnittstellen zwischen betrieblichen Funktionen und zwischen Organisationen, um für abteilungsübergreifende Synergien und Mehrwerte Raum zu schaffen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Organisationen werden komplexer, und sie brauchen diese Komplexität auch, um in ihrer zunehmend komplexeren Umwelt bestehen zu können.[1] Verwehren wir Organisationen die Möglichkeit, komplexer zu werden, entziehen wir ihnen ihre Überlebensfähigkeit.[2] Jay Wright Forrester, der Begründer der Methode System Dynamics, erkannte bereits vor über fünfzig Jahren, dass unsere industriellen Systeme so groß und komplex werden, dass das Wissen über die Teile allein nicht genügt.[3] Allerdings kann von einzelnen Personen nicht erwartet werden, dass sie das gesamte Zusammenspiel aller Kräfte in einem Unternehmen und in seinen Märkten erfassen. Jeder Einzelne nimmt lediglich einen Ausschnitt des Gesamtgeschehens wahr und bildet sich auf der Basis der eigenen Einblicke ein Modell des gesamten Unternehmens und seiner Prozesse, das im Denken das reale System repräsentiert.[4] Solche Modelle sind demnach subjektiv und stimmen oft nur in Ansätzen mit der Unternehmensrealität überein. Das wird erkennbar, wenn sich mehrere Personen über ihre angenommenen Modelle austauschen. So kann sich erst aus einem Diskurs an den Schnittstellen zwischen Fachgebieten ein gemeinsames Verständnis für das große Ganze entwickeln. Ein solcher Diskurs ist in einer Welt von Spezialisten nicht selbstverständlich, sondern muss aktiv eingerichtet und gegebenenfalls moderiert werden. Hinzu kommt, dass die vernetzte Welt kein statisch definiertes Konstrukt ist, das man einmal analysieren und für immer verstehen kann; vielmehr entwickelt und verändert sich die Welt gerade durch die Vernetzung ihrer Elemente. Dies erfordert permanente Kommunikationsupdates. Die Vernetzung betrifft heute nicht nur Personen und Organisationseinheiten, sondern auch mit künstlicher Intelligenz ausgestattete, lernende Roboter, die mit Menschen interagieren. Daraus speist sich die Notwendigkeit kontinuierlicher Feedback-Prozesse unter Einbindung der Robotik, die eine laufende regelnde Wirkung entfalten. Schon der Biologe Karl Ludwig von Bertalanffy benannte die Prozesse in wechselseitigen Wirkungsgefügen als die Quelle der Lebensfähigkeit.[5] Das Verständnis solcher Wirkungsgefüge ist wesentlich, um das Verhalten sozialer Systeme, wie es Organisationen sind,[6] zu stabilisieren.[7] Die Qualität der Interaktionen an den Schnittstellen zwischen Organisationen und innerhalb von Organisationen hängen von den systemischen Fähigkeiten ab, die in Organisationen angelegt werden müssen.[8]

Lösungsansatz

Um Organisationen mit solchen systemischen Fähigkeiten auszustatten, müssen ihre Mitglieder in ihren Entscheidungen und in ihren Handlungen die Auswirkungen auf andere organisationale Teilbereiche berücksichtigen. Dazu ist es erforderlich, den Einfluss des eigenen Tuns auf die angrenzenden Teilbereiche zu erkennen. Wünschenswert ist es, die wirksame Vernetzung für möglichst viele Beteiligte sichtbar zu machen.

Nun kann man nicht erwarten, dass hinter jedem Mitarbeiter ein Systemiker steht und ihn darin coacht, worauf er außerhalb seines Aktivitätenbereiches achten sollte, wenn er sich mit einer konkreten Aufgabe befasst. Um diese Sensibilität zu erreichen, sind simplere Ansätze gefragt.

Eine solche Befähigung zur Vogelperspektive sollte im dichten Unternehmensalltag möglichst autark erzielt werden. Dies kann mit einer automatisierten Managementanwendung zur Selbstbedienung gelingen. Die erste und bisher einzige Anwendung dieser Art ist consultingcheck (www.consultingcheck.de). consultingcheck wendet sich an Fach- und Führungskräfte in Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen. In einem geleiteten Dialog über ihre Herausforderungen führt consultingcheck Nutzer an Lösungsräume heran und macht sie auf diesem Weg auf wesentliche Aspekte aufmerksam, die für eine nachhaltige Wirkung relevant sind. Die Empfehlungen von consultingcheck, die in der Praxis nicht immer auf der Hand liegen, helfen Nutzern, ihr Handeln ganzheitlich anzulegen und sich systemisch sinnvoll mit ihrem Umfeld abzustimmen. Auch wenn dies vordergründig zu einem gewissen Mehraufwand führen mag, kommt die Abstimmung einer Optimierung des Zusammenspiels zugute. Hier liegt der erheblich größere Hebel sowohl für den Ertrag als auch für die Stabilität der Organisation in ihrem wirtschaftlichen Umfeld und nicht zuletzt für eine gesteigerte Mitarbeitermotivation dank größerer Selbstwirksamkeit.

consultingcheck ist gleichwohl pragmatisch konzipiert. Die Anwendung setzt sich aus hunderten von themenfokussierten, praxisrelevanten Textelementen zusammen, die über kontextbezogene Links miteinander in Beziehung stehen und einfach abgerufen werden können. Nutzer werden entlang ihres Dialogs mit consultingcheck über Mehrwerte in Form von Checklisten, praxiserprobten Anwendungen und Literaturempfehlungen versorgt. Um Barrieren zu vermeiden, ist der systemgerecht angelegte Dialog von consultingcheck kostenfrei zugänglich. Zu seinem Anspruch gehört auch, dass consultingcheck einen spürbaren Impact in der Wirtschaft bewirkt. Dazu muss eine breite Nutzung erreicht werden. Mit der Erstellung der Anwendung selbst ist es also nicht getan. Deshalb wird in den relevanten Medien online und offline mit großer Reichweite auf consultingcheck hingewiesen.

Fazit

Die zunehmende Spezialisierung in Unternehmen geht mit einer Entfremdung an den Schnittstellen in Geschäftsprozessen einher. Mit einer systemgerecht konzipierten und barrierefrei verfügbaren Web-basierten Anwendung kann diesem Tunnelblick entgegengewirkt werden: Die Nutzer werden kontextbezogen auf systemisch relevante Aspekte aufmerksam gemacht. Dadurch gewinnen sie an Überblick und können produktiver mit Kollegen aus anderen Fachbereichen kommunizieren. Mit consultingcheck steht nun eine solche Anwendung zur Verfügung. Für einen Austausch über Verbesserungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten ist der Autor und Urheber der Anwendung aufgeschlossen und anspielbar.


[1] Ashby, William Ross: An introduction to cybernetics, Wiley, New York 1974, S. 229.

[2] Foerster, Heinz von: Wissen und Gewissen, Versuch einer Brücke, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, S. 251 f.

[3] Forrester, Jay Wright: Industrial dynamics, 6. Aufl., The MIT Press, Cambridge (MA) 1969, S. 6.

[4] Ebd., S. 49 f.

[5] Bertalanffy, Karl Ludwig von: Theoretische Biologie. Band I: Allgemeine Theorie, Physikochemie, Aufbau und Entwicklung des Organismus, Gebr. Borntraeger, Berlin 1932, S. 52.

[6] Ulrich, Hans: Die Unternehmung als produktives soziales System. Grundlagen der allgemeinen Unternehmungslehre, Haupt, Bern/Stuttgart 2001, S. 35.

[7] Vester, Frederic: Die Kunst vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011, S. 194 f. und S. 226 f.

[8] Beer, Stafford: Cybernetics and management, The English University Press, London 1959, S. 7.

Dr. Werner Boysen

Dr. Werner Boysen ist selbständiger Managementberater mit besonderer Ausrichtung auf die nachhaltige Ertragssteigerung und die Stabilisierung von Unternehmen. Mit seiner Dr. Boysen Management + Consulting GmbH (www.dr-boysen-management.de) hat er die virtuelle Managementberatung „consultingcheck“ (www.consultingcheck.de) konzipiert und umgesetzt.

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