Wolfgang Schröder

Haben Sie Ihre Führungskomplexität im Griff?

Letztendlich werden Führungskräfte verantwortlich gemacht für die Ergebnisse, die in ihrem Verantwortungsbereich erreicht werden. Globalisierung, Technologieentwicklungen, insbesondere Digitalisierung, staatliche Regulierungen, veränderte Erwartungen in der Gesellschaft und bei MitarbeiterInnen führen heute zu einem hohen, permanenten Veränderungsbedarf. Führung ist komplexer geworden. Dafür müssen Führungskräfte Antworten haben. Grundlagen dafür bieten Systemtheorie und Kybernetik. Damit sollen Systeme so strukturiert werden,“dass sie die hohe Komplexität von Umwelt und System angemessen bewältigen können”. Ein Gedankenexperiment zeigt zu Beginn wie schnell sich Komplexität entwickelt. Danach stehen praktikable, bewährte Vorschläge im Mittelpunkt, um mit Komplexität fertig zu werden.

Machen Sie mit bei einem kleinen Experiment. In Abb. 1 sehen Sie EIN Dreieck.

Abb. 1 Dreieck 1

Dieses Dreieck soll den Kern von Führung beschreiben. Führungskräfte müssen drei wesentliche Elemente in den Griff bekommen: Führungskräfte sollen Strategien / Ziele (1) erreichen, zusammen mit fähigen, motivierten MitarbeiterInnen / Team (2) über effektive Wege, also Aufgaben / Prozesse (3). Das ist schön, wenn man das weiß, aber es hilft praktisch nicht wirklich weiter.

Abb. 2 soll Führung als differenzierteres Modell darstellen. Das ursprüngliche Dreieck wird durch drei Linien in Felder aufgeteilt. Sie stellen die vertiefte Beschreibung der drei Elemente dar, mit Inhalten, Definitionen und Erklärungen, also die Theorie. In der Mitte entsteht ein Feld für Gemeinsamkeiten, übergeordneten Abhängigkeiten und grundlegenden Fakten und Informationen. Wie viele Dreiecke sehen Sie?

Abb. 2 Dreieck 2

Gut – es sind 5 Dreiecke, wenn man das ursprünglich erste Dreieck mitzählt.
Wir unterteilen nun das ursprüngliche Dreieck weiter durch wieder nur drei zusätzliche Linien. Damit soll ausgedrückt werden, dass unser Modell nun praxisrelevant wird. Es enthält auch das notwendige Führungs-Knowhow, um Theorie umzusetzen. Also alle notwendigen Systeme, Prozesse, Maßnahmen, Methoden und Interdependenzen. Damit kann Führung gestaltet werden. Wie viele Dreiecke sehen Sie jetzt in Abb. 3?

Abb. 3 Dreieck 3

Wenn Sie auf weniger als 30 Dreiecke kommen, liegen Sie völlig falsch.

Es sind erheblich mehr. Der Sprung in der Komplexitätssteigerung ist bei der Geometrieaufgabe im Kopf nicht oder kaum nachvollziehbar.
Genauso ist es mit Führung. Auch die Führungskomplexität können Sie nicht im Kopf komplett erfassen und der Bauch ist ein unzuverlässiger Ratgeber, insbesondere wenn sie nicht über die wesentlichen Informationen verfügen. Über 30 Informationsinhalte müssen mit Führungs-Knowhow verknüpft und beurteilt werden, um tragfähige Führungsentscheidungen zu treffen und um den Führungsprozess im Griff zu behalten:

  1. Aus der Mission, dem Zweck des eigenen Verantwortungsbereichs und aus Jahreszielen operative Zielfelder und SMART-Ziele ableiten
  2. daraus die richtigen Aufgaben mit KPIs (Key Performance Indicators) ableiten
  3. daraus die dafür notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten ableiten
  4. Aufgaben effektiv und motivierend über eine Kapazitätsplanung auf MitarbeiterInnen und sich selbst verteilen und Arbeitsprozesse definieren
  5. dabei Entwicklungsinteressen und -potenziale der MitarbeiterInnen berücksichtigen, aber auch die eigene Work-Life-Balance
  6. Bildungs- und Entwicklungsbedarfe für Bereich und Personen ableiten, geeignete Maßnahmen auswählen und realisieren
  7. die Zielerreichung über Projekt-Management und tägliche Führungsarbeit lenken, bei Veränderungen pragmatisch, aber strategieorientiert handeln.

Und das alles zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn nur wer Betroffene zu Beteiligte macht, steigert Engagement und senkt Veränderungswiderstände.

Außerdem beeinflussen sich Prozessschritte gegenseitig: So kann die Arbeitsverteilung erst dann realistisch geplant werden, wenn der Zeitbedarf für die Aufgabenbearbeitung über KPIs (Key Performance Indicator) bekannt ist. Der Zeitbedarf wird jedoch von den Fähigkeiten und der Motivation der Mitarbeiter sowie den Arbeitsmitteln und Prozessen bestimmt. Da die Mitarbeiterkapazität immer zu knapp ist, muss entschieden werden, wie viel der knappen Zeit in welche Aufgabe investiert werden soll und ob, unter diesem Aspekt betrachtet, Aufgaben nicht anders bearbeitet werden müssen. Die Bedeutung der Aufgaben muss also geklärt sein. Das setzt voraus, dass die Ziele geklärt sind, denn Aufgaben sind Wege zur Zielerreichung. Lösungen betreffen deshalb sowohl Führung als auch Personalmanagement und Personalentwicklung.


Sehen Sie sich den Führungsprozess an: Haben Sie ihn im Griff?

Die Komplexität von Führung wird auch durch folgendes Modell deutlich (Abbildung 4):

Abb. 4 Komplexität der Führung (Dr. W. Schröder)

Ziele mit Aufgaben, Prozessen und den einzelnen Teammitgliedern zu kombinieren ist die Funktion von Führungskräften. Das ist in den letzten Jahren viel schwieriger geworden. Insbesondere Digitalisierung verändert Arbeitsinhalte und notwendige Fähigkeiten. Da alle Aufgaben, die programmierbar sind, digitalisiert werden, bleiben komplexe und komplizierte Aufgaben übrig. Deshalb werden die meisten MitarbeiterInnen zu Experten und Spezialisten. Sie haben gestiegene Erwartungen an Freiräume, Beteiligung an Entscheidungen, sinnvoller Arbeit und persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Peter Drucker beschrieb schon 2002 eine zutreffende Einschätzung: „In einer traditionellen Belegschaft dienen die Arbeiter dem System. Wenn allerdings die Mitarbeiter eines Unternehmens aus Spezialisten bestehen, ist das System ihnen untergeordnet.” (Drucker, P.: Es sind nicht Arbeitnehmer – es sind Menschen. In: Harvard Business Manager, 24. Jg., 4/2002, S. 74 – 84). Aus allen heute aktuellen Herausforderungen entsteht ein hoher, komplexer, permanenter Veränderungsbedarf. Die Auslöser für Veränderungen können aus jeder Ecke des Dreiecks kommen.

Um mit diesen Veränderungen erfolgreich umzugehen brauchen Führungskräfte konkretes Anwendungswissen auf den Feldern Führung, Personalmanagement und Personalentwicklung. Dieses Anwendungswissen muss in Tools transportiert werden, nicht in Aufsätzen oder Theorieabhandlungen. Tools strukturieren Denkprozesse. Der Anwender bearbeitet das Tool mit den eigenen Daten oder folgt wenigstens im Kopf dem Denkprozess, der dem Tool zugrunde liegt. Damit wird Führungswissen direkt mit den Herausforderungen des Anwenders verknüpft. Heute können diese Tools mit einfachen IT-Lösungen (MS Excel, Powerpoint, Word) flexibel und ohne großen Aufwand auch dezentral durch Führungskräfte eingesetzt werden. Die Entwicklung von Tools läuft in Phasen ab. Zuerst sind sie primitiv. Anwendungserfahrungen lassen sie dann sehr schnell kompliziert werden, bis hin zur Praxisferne. Erst nach diesen Erfahrungen können sie einfach werden. Tools entwickeln sich deshalb über Prototypen und das braucht Zeit. Dann aber transportieren sie bewährtes Führungswissen. Theorie wird damit direkt angewendet. Tools sind der Schlüssel, wenn Führungstheorie angewendet werden soll. Systemdenken eröffnet deshalb neue Perspektiven. Neue Begriffe wie “New Work” oder “Agilität” halten nur dann was sie versprechen, wenn Führung, Personal-Management und Personalentwicklung verknüpft, als Ganzes gesehen und auf der Basis von Erfahrungen mit neuen Methoden und Tools auch umgesetzt werden.

In einem gerade erschienenen Buch werden für die Kombination von Zielen, Aufgaben und Personen/Team konzeptionelle Grundlagen, Einführungsprozesse und Anwendungstipps detailliert beschrieben. Über 40 Tools können im Original (Word, Excel, PowerPoint) zum Download aus einer Toolbox im Internet übernommen und direkt angewendet oder an eigene, spezifische Anforderungen angepasst werden. Die Tools konkretisieren:

  • Zielmanagement (u. a. Veränderungsbedarfe aus Unternehmenszielen ableiten; über Zielklausuren, Smart-Ziele, Projektmanagement, Meilensteine erreichen)
  • Personalentwicklung-Planung (u.a. Potenzialeinschätzung, Mitarbeitergespräch, qualitative Personalplanung, Personalklausur, Entwicklungswege im Unternehmen)
  • Personalentwicklung/Personalmanagement-Maßnahmen (u.a. Job-Matrix; Veränderungen durch Neuorganisation, Stellenneubesetzungen, Einarbeitung, Team-, Organisationsentwicklung, Training on the Job)
  • ein toolgestütztes Lern- und Umsetzungsprogramm für Führungskräfte, mit dem Führungskräfte ihre Führungsmaßnahmen mit ihren eigenen Daten erarbeiten können

Das wurde vorwiegend in Hightech Unternehmen entwickelt. Konkrete Anforderungen und Analysen waren die Auslöser. Dort konnten schon seit den 1990er Jahren Herausforderungen erlebt werden, die heute alle Unternehmen betreffen. Es entstanden neue Perspektiven, valide Konzepte und im Laufe der Zeit eben funktionierende Tools.
Über 30 Praxisbeispiele belegen den Nutzen: Durch die Konzepte und Tools verbessern sich Unternehmensergebnisse nachweisbar. Führungskräfte werden zu Architekten ihres Bereiches, zu Personalentwicklern der MitarbeiterInnen und zu ergebnisorientierten Teamleitern.
Außerdem sind die Tools ein gutes Training der Führungskräfte für das Thema Digitalisierung. Buch und downloadbare Tools ersetzen so manches viel teureres Seminar.

Übrigens, es sind 47 Dreiecke.

Das Buch ist als Hardcover im Buchhandel und in vielen Shops erhältlich z.B. als E-Book über viele Stores z. B. in der Kindle Version mit der ISBN 9783755743767

Dieser Beitrag wurde 2011 auf business-wissen.de veröffentlicht. Er wurde 2022 aktualisiert und um Handlungsempfehlungen ergänzt, die sich seitdem weiterentwickelt haben.

Dr. Wolfgang Schröder
58540 Meinerzhagen
Tel. 02354-6566
Dr.W.Schroeder@t-online.de
www.dr-schroeder-personalsysteme.de

Sven-Volker Rehm

Laws of Form-Analyse digitalisierter Arbeitswelten

Die als Schlüsselwerk der Kybernetik bekannt gewordenen Laws of Form von George Spencer-Brown (1969) lassen sich zur Analyse moderner digitaler Infrastrukturen in unserem Arbeitskontext nutzen, um neue Methoden und Theorien zu entwickeln. Dies ist einer der Beiträge des Artikels, der im Februar 2022 im Journal Information and Organization (Elsevier) erschienen ist. Ein Ko-Autor ist GWS-Mitglied Sven-V. Rehm.

Die fortschreitende Digitalisierung hat unser Verständnis von Technologie als einzelne Geräte, Datenbanken oder Anwendungssoftware verändert – wir nehmen diese heute wahr als sich dynamisch verändernde Umgebungen, also Cloud, Metaverse, IoT, KI, eingebettete Systeme usw., in denen vielfältige Nutzungsarten und informationstechnische Prozesse miteinander verflochten sind. Diese in der wissenschaftlichen Literatur als sociomaterial bezeichneten Verflechtungen bestimmen den Erfolg unserer digitalisierten Arbeitswelten (DAW). DAW sind heute viel zu komplex geworden, um sie so zu definieren, wie wir es in der Vergangenheit mit “IT-Artefakten” getan haben. Für die Forschung macht diese Entwicklung das Studium von DAW zunehmend schwieriger und erfordert die Weiterentwicklung von Methoden, mithilfe derer sich die Dynamik der DAW besser beobachten und konzeptualisieren lässt.

In einem vor Kurzem von GWS-Mitglied Sven-V. Rehm mit verfassten Artikel verwenden die Autoren den mathematisch-logischen Formalismus der Laws of Form (LoF) (Spencer-Brown, 1969) für die Analyse sechs illustrativer Studien. Dort wird untersucht, wie jeweils soziale und materielle Aspekte konzeptualisiert werden, um zu unterschiedlichen Perspektiven auf DAW zu gelangen. Die Analyse zeigt drei Archetypen der Beobachtung und Konzeptualisierung auf, die eine Diskussion darüber anregen, wie die Forschung zu neuen Informationssystemen neue qualitative Methoden entwickeln kann.

Der Artikel bietet zum einen neue Einblicke in das aktuelle Verständnis von DAW und Erklärungen zu Schlüsselkonzepten. Zum anderen werden die Laws of Form – als eines der Schlüsselwerke u.a. im Hinblick auf das Konzept der Beobachtung – als prä-ontologischer und prä-theoretischer Formalismus vorgestellt, der die Kommensurabilität von Methoden und die Entwicklung neuer qualitativer empirischer Methoden ermöglicht. Dabei wird aufgezeigt, wie der Formalismus hilft, Unterscheidungen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes zu artikulieren und zu verfeinern – und die Argumentation anderer Forscher/-innen kritisch zu untersuchen und zu rekonstruieren.

Der Beitrag kann hier gelesen werden.

Reference: Rehm S-V, Goel L, Junglas I (2022) Researching digitalized work arrangements: A Laws of Form perspective. Information and Organization:100391. DOI: 10.1016/j.infoandorg.2022.100391 .

Sven-Volker Rehm

IT Empowerment: Freiheit bei der Wahl der Mittel stärkt Innovationsfähigkeit

Die eigenständige Wahl digitaler Tools am Arbeitsplatz stärkt die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Dies ist einer der Beiträge des Artikels, der im Januar 2022 im International Journal of Information Management erschienen ist. Ein Ko-Autor ist GWS-Mitglied Sven-V. Rehm.

Während der COVID-19-Pandemie wurde deutlich, dass technologiegetriebene organisatorische Transformation bestimmten Dynamiken unterliegt. Mitarbeiter/-innen investieren zunehmend Zeit und Geld in Verbraucher-IT, also digitale Geräte und Apps, die sie für ihre Arbeit verwenden. Dieses mit IT Consumerization bezeichnete Konzept beschreibt, dass Mitarbeiter/-innen ihre Smartphones, Notebooks und Tablets am Arbeitsplatz nutzen, begleitet von einer wachsenden Toolbox an Anwendungen. Google Apps und Dropbox sind nur zwei Beispiele für Tools, mit denen Mitarbeiter/-innen ihre Arbeit erledigen und dabei oft die Ihnen zugestandenen Befugnisse der IT-Abteilung und des Unternehmens umgehen. Während einige Organisationen Mitarbeiter/-innen davon abhalten oder sogar verbieten, ihre persönliche IT zu verwenden, gehen andere das Phänomen pro-aktiv an.

Bislang gab es keine empirische Bestätigung für den vorteilhaften Zusammenhang zwischen IT Consumerization und Produktivitätsgewinnen im Unternehmen. Dieser wird nun im vorliegenden Beitrag dokumentiert. Theoretische Grundlage ist das Konzept des IT Empowerment. Dieses Konzept erfasst den Grad an Autorität, die ein Mitarbeiter bei der Nutzung von IT innehat, um Aspekte seiner Arbeit zu kontrollieren oder zu verbessern. Bei der Befragung von 147 Mitarbeitern/-innen findet sich ein höheres Maß an IT Empowerment und ein höheres Maß an wahrgenommener Produktivität bei denen, die Verbraucher-IT aktiv nutzen, im Vergleich zu denen, die dies nicht tun. Die Studie findet auch einen engen Zusammenhang zwischen IT Empowerment und wahrgenommenem innovativem Arbeitsverhalten.

Dass die Studie den vorteilhaften Zusammenhang zwischen dem Zugestehen von Freiheiten für eigenständige Wissensarbeit auf der einen – und höherer Produktivität auf der anderen Seite – aufzeigen hilft, ist ein wichtiger Baustein für das bessere Verständnis der Dynamik des Managements komplexer Organsationen. Frühere Annahmen kybernetischer Modelle über die idealerweise rekursive hierarchische Organisation zur Gestaltung autonomer Bereiche werden dadurch getützt.

Der Beitrag kann hier gelesen werden.

Die Ergebnisse der im Artikel beschriebenen Studie wurden vor Kurzem auch im Wall Street Journal gewürdigt.

Reference: Junglas, I., Goel, L., Rehm, S.‑V., & Ives, B. (2022). On the benefits of consumer IT in the workplace—An IT empowerment perspective. International Journal of Information Management, 64, 102478. https://doi.org/10.1016/j.ijinfomgt.2022.102478

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