Wiener-2001

Rückblick: Online-Event „100 Jahre Frederic Vester – Denken in vernetzten Wirkungsgefügen“

Am 28. November 2025 fand das GWS-Event zum 100. Geburtstag von Prof. Dr. Frederic Vester (1925–2003) statt. Rund 20 Teilnehmende – zur Hälfte Mitglieder der GWS und zur Hälfte externe Interessierte – nahmen an dieser Online-Veranstaltung teil, die dem Werk und der Aktualität dieses prägenden Systemdenkers gewidmet war.

Nach einer kurzen Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden der GWS, Dr. Sven-V. Rehm, der die GWS als Forum für systemisches und kybernetisches Denken vorstellte, eröffnete Prof. Dr. Thomas Göllinger (HTWG Konstanz) den Nachmittag mit einem Impulsvortrag zu Vesters Lebensweg und seinem Beitrag zur biologischen Kybernetik, zu Nachhaltigkeit und zu frühen Formen systemwissenschaftlicher Bildung. Er erinnerte an Vesters Rolle als Wissenschaftler, Filmemacher und Autor sowie an seine Pionierarbeit mit dem SBU-Institut in München .

Anschließend zeigte Prof. Dr. Falko Wilms (FHV Vorarlberg) die Bedeutung von Vesters Ansätzen für Entscheidungsprozesse in komplexen Situationen. Er erläuterte zentrale Elemente des Sensitivitätsmodells – von der Variablenliste bis zur Einflussmatrix – und diskutierte Optionen, dieses Modell stärker auf Maßnahmenentwicklung auszurichten und bei Bedarf auch ohne Simulation nutzbar zu machen.

In einer kurzen interaktiven Umfrage zeigte sich, dass zwar über 80% der Teilnehmenden vernetztes Denken als wichtigsten Bezugspunkt zu Vester sehen, während etwa ein Fünftel angaben, ihm bislang kaum begegnet zu sein. Anschließend stellte Thomas Göllinger den neuen Jubiläumsband „Systemisch-vernetztes Denken und Sustainability-Transformation“ (Springer, 2025) vor.

Die abschließende Diskussion thematisierte unter anderem die Rolle systemischen Denkens in der Bildung, die Herausforderungen interdisziplinärer Zusammenarbeit sowie Grenzen und Potenziale partizipativer Modellierungsprozesse. Beiträge von Prof. Dr. Schwaninger (Univ. St. Gallen) und weiteren Teilnehmenden hoben hervor, dass systemisches Denken eine Haltung sei, die weit über technische Werkzeuge hinausreiche und gerade in Transformationskontexten wichtige Orientierung biete .

Wir bedanken uns herzlich bei Prof. Dr. Thomas Göllinger und Prof. Dr. Falko Wilms für ihre Impulsvorträge und Beiträge sowie bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Interesse, ihre Fragen und die anregende Diskussion. Die Vielfalt der Perspektiven hat eindrucksvoll gezeigt, wie lebendig und relevant Vesters Denken auch heute noch ist.

Wir laden Sie schon jetzt herzlich ein, auch beim Folge-Event im Frühjahr 2026 dabei zu sein, in dem wir die Anwendung und Weiterentwicklung des Sensitivitätsmodells in Forschung und Praxis weiter vertiefen werden.
Weitere Informationen folgen in Kürze auf dieser Website und über unsere LinkedIn-Kanäle.

Sven-Volker Rehm

Zielkonflikte in der Modellierung – Wie genau ist genau genug? Das 2. SynergyLab der GWS e.V.

13 Teilnehmende aus Wissenschaft, Beratung und Praxis diskutierten im Rahmen des GWS-SynergyLab am 30. April 2025 über zentrale Spannungsfelder in der dynamischen Modellierung von Organisationen. Ausgangspunkt war ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Andreas Größler (Universität Stuttgart) mit dem Titel:
„Lieber nicht so genau und dafür relevant? Zielkonflikte der dynamischen Modellierung in Organisationen“

Relevanz schlägt Genauigkeit?

Prof. Größler stellte die These zur Diskussion, dass Modelle nicht zwangsläufig „richtig“ sein müssen, um nützlich zu sein. Organisationale Modelle, etwa im Bereich strategischer Planung oder Policy Design, müssen oft komplexe Zusammenhänge verständlich machen – nicht bis ins letzte Detail abbilden. Dies führt zu einem grundlegenden Zielkonflikt:
Wie genau darf ein Modell sein, bevor es zu unverständlich wird – und wie ungenau darf es sein, um noch als relevant zu gelten?

Kernthemen der Diskussion

In der anschließenden offenen Gesprächsrunde wurden zahlreiche Aspekte aufgegriffen – aus methodischer, praktischer und erkenntnistheoretischer Sicht:

  • 🔄 Zielkonflikte: Modelle müssen für Entscheidungen relevant sein, aber auch nachvollziehbar bleiben. Zu viel Präzision kann abschrecken.
  • 🧠 Lernen statt Vorhersagen: Simulationen entfalten ihren größten Wert, wenn sie Verständnis fördern, nicht wenn sie exakte Prognosen liefern.
  • 👥 Beteiligung und Akzeptanz: Modellnutzung hängt stark davon ab, ob Stakeholder im Erstellungsprozess einbezogen wurden.
  • 🧩 Komplexitätsreduktion: Modelle sind immer Vereinfachungen. Die Kunst liegt darin, das Relevante zu erfassen und das Irritierende wegzulassen.
  • 🧾 Validität neu denken: Ein Modell kann auch dann nützlich sein, wenn es nicht vollständig datengestützt ist – solange es plausibel, transparent und anschlussfähig ist.

Warum dieses Gespräch wertvoll war

Die GWS versteht das SynergyLab als Denkraum: Hier treffen Menschen zusammen, die systemisches Denken nicht nur anwenden, sondern auch hinterfragen und weiterentwickeln wollen. Diese Veranstaltung zeigte eindrucksvoll:

  • wie stark Theorie und Praxis voneinander profitieren können,
  • wie produktiv das Ringen um Verständlichkeit und Wirkung ist,
  • und wie wichtig es ist, gemeinsam mit Unsicherheiten umzugehen, statt sie zu verstecken.

Interesse geweckt?

Das Thema bleibt aktuell – in der Wissenschaft, in der digitalen Transformation und in der Gestaltung von Organisationen und Politik.
📧 Kontakt: office@gws-kybernetik.org
🔗 Weitere Veranstaltungen unter: gws-kybernetik.org und synergylab.space

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